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hat sich ebenfalls häufig fromme Spielerei eingeschlichen. Solche Wunder können sich nur zutragen, wo die würdigste Veranlassung gegeben ist, und unter ehrfurchtgebietenden Umständen, nicht aber in einer kindischen, sentimental kränklichen oder kokettirenden Weise. Von der letztern verwerflichen Art sind z. B. die nicht selten vorkommenden Bilder, auf denen Christus als antiker Eros mit buhlerischen Blicken einen Pfeil gegen die mehr irdisch als christlich schmachtende heilige Therese abschiesst. Auch dass Christus in der Legende des heiligen Johannes de Deo diesem als Bettler erscheint und sich von ihm förmlich in’s Spital tragen lässt, ist keine würdige Auffassung. Görres, Mystik I. 449. Christus kann auch zum besten Zwecke keine Comödie spielen. Zu den abzuweisenden Dingen gehören auch die mannigfachen Vertraulichkeiten der Heiligen mit Christo. Der Abstand, der Respect wird hier oft vergessen. Albigi, ein Minorit zu Pisa, schrieb am Ende des 14ten Jahrhunderts sogar ein liber conformitatum, worin er den heiligen Franciscus mit Christo verglich und weit über denselben stellte, ja die ganze Bibel nur für ein Vorbild und eine Weissagung des heiligen Franciscus ausgab. Das tolle Buch wurde von Erasmus Alber in „der Barfüssermönch Eulenspiegel und Alcoran“, 1531, derb verhöhnt. Wie billig, denn wenn die Frömmigkeit sich übersteigt und wahnwitzig wird, bekommt der Teufel sein Recht wieder.

Auch mit dem Christkinde sollten nicht so viel Mönche und Nonnen spielen dürfen, wie uns in Legenden berichtet und in Bildern dargestellt wird. Nur ganz kindliche Seelen sind dazu berechtigt, und am meisten, wenn es sich nicht blos dabei von einer andächtigen Spielerei, sondern von einem ganz besondern Trost handelt. So der Besuch des Christkindes bei der kranken Nonne Elisabeth von Ruffach (Görres, Mystik I. 295.). Noch mehr sein Besuch der blinden Sibylla von Pavia nach Steills Ephemeriden des Dominicanerordens zum 19. März; die nichts sehen konnte, die nie eines Menschen Angesicht erblickt, sah Christum allein. Höchst lieblich

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_194.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)