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Wunder. Heinrich von Kleist (Werke III. 243.) erzählt von ihr, als zur Zeit des Bildersturms in Aachen eine frevelhafte Rotte in ein Nonnenkloster eindrang, sangen die Nonnen, denen anstatt der schwererkrankten Orgelspielerin die heilige Cäcilia selber vorspielte, so himmlisch schön, dass die Rotte verstummte, sich bekehrte und von Stund an nichts mehr that, als Gott lobsingen. Nach einer von August Stöber im Morgenblatt 1831, Nr. 305. mitgetheilten Sage soll ein stummes Kind, dessen Mutter die heilige Cäcilia um Erbarmen für dasselbe anflehte, ein grosser Sänger geworden seyn. Fast alle Musikvereine, auch protestantische, haben die Heilige zu ihrer Schutzpatronin gewählt und ihr Bild in ihre Fahnen gemalt. Die an ihrem Tage zu London gefeierten Musikfeste haben zahllose Lieder zu ihrem Lobe veranlasst.

Auf Kirchenbildern erscheint sie theils dem Gesang der Engel horchend, theils selber singend, oder die Orgel spielend, oder mit einer kleinen Orgel in der Hand, oder auch die Geige spielend, desgleichen die Harfe. Lukas von Leyden gab ihr ausser der Orgel zum Attribut noch die Palme des Martyrerthums und das Lamm der Unschuld (vormals in der Boisserée'schen Sammlung). Auf dem berühmten Bilde Raphaels zu Bologna trägt die Heilige nur eine kleine, ihr entsinkende Orgel in der Hand und horcht, der eignen Musik vergessend, nach oben auf den Gesang der Engel, in Begeisterung verloren. Neben ihr steht der Apostel Paulus in gewaltiger Kraft da mit dem Schwerte, die Macht der Töne bezeichnend, die siegreich das Gemeine überwindet; ferner Magdalena in strahlender Schönheit und seligem Frieden den Zauber der Harmonie bezeichnend und zugleich die Läuterung der Seele durch das heilige Bad der Töne. Das ganze Bild soll das innerste Wesen der Musik und namentlich ihre Bestimmung, den Menschen zu heiligen und zum Himmel zu erheben, ausdrücken. Es ist so voll Schönheit, dass man sagt, als es Francesco Francia, der damals auch seine Cäcilia in Bologna malte, von Raphael zugesendet erhielt, er seinen Pinsel weggeworfen habe und in Schwermuth gestorben sey.

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_164.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)