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Prudentius apoth. 4. adv. Jud. drückt den Gedanken am klarsten aus:

Exiliis vagus huc illuc fluitantibus errat
Judaeus, postquam patriae de sede revulsus
Supplicium pro caede luit, Christique negati
Sanguine respersus commissa piacula solvit.

Auch schon in den Propheten ist den Juden dieses Zerstreutwerden und Umherirren als Strafe geweissagt. Im Ahasver aber wird das ganze Volk personifizirt. Die Legende von Ahasver, die sich erst im Abendlande und unter den Völkern germanischer Abstammung ausbildete, legt das Hauptgewicht auf das „Sterbenwollen und nicht können“. Sie stellt den Juden dar als Einen, dem das Leben tief verhasst ist, als den alternden Pilger, dem das Leben zur unerträglichsten Last geworden und der doch nirgends dessen Ziel und Ende findet. Diese Legende wird erst dann richtig verstanden, wenn man sie mit der gleichfalls im deutschen Abendlande entsprungenen Legende von Faust vergleicht. Beide Legenden wurzeln in einer tiefen Würdigung des Christenthums gegenüber einerseits dem Juden-, anderseits dem Heidenthum. Ahasver flieht das Leben und sucht sich von dessen Qual loszureissen, aber vergebens. Faust sucht die Lust des Augenblicks zu verewigen, eben so vergebens. Dort geht das alte Judenthum immer noch wie ein Gespenst durch die christliche Welt; hier steigt das Heidenthum wie ein Vampyr aus dem Grabe und lügt Leben und Schönheit der griechischen Helena, erkünstelt blühende Natur durch höllischen Zaubers ärgste Unnatur. Es ist der Tod und der Teufel, jener in der Gestalt des Judenthums, dieser in Gestalt des Heidenthums, die sich in das Reich Christi eindrängen.

Die Notiz aus Matthäus Paris beweist, dass sich die Legende vom ewigen Juden schon im frühen Mittelalter ausgebildet haben muss. Sie erscheint ausgeführt und niedergelegt in deutschen, englischen, französischen, dänischen und holländischen Volksbüchern. Vgl. Grässe S. 37. und das von Auerbacher 1837 in München herausgegebene Volksbüchlein.

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_043.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)