Seite:Christliche Symbolik (Menzel) II 560.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

das alte Testament vertretend, wie Maria das neue, auf der Nachtseite der Welt und Geschichte, wie jene auf der Tagseite. Wie Maria den Uebergang des Menschen zum Engel und zu Gott selbst bezeichnet, so Johannes in seinem Thierfell gleichsam den in der alten vorchristlichen Barbarei erfolgten Uebergang des Menschen zum Thier und zum Teufel. Er, Johannes, ist die höchste und vollendetste Blüthe, zu der die Menschheit auf der Nachtseite gedieh, so wie Maria die höchste Blüthe der Menschheit auf der Lichtseite ist.

Zwischen Johannes oben und den Verdammten unten findet keine Verbindung statt. Sie stehen nur auf der nämlichen Seite, sind aber getrennt durch die Wolkenschicht, durch die posaunenden Engel und durch Engel mit Schwertern, welche das Aufsteigen der Verdammten zum Himmel abwehren. Nur vom linken Fuss des Richters selbst aus findet in den Bildern der griechischen Kirche eine Verbindung mit der Hölle statt durch den Feuerstrom, der von ihm ausgeht. Zuweilen wird auch Michael in der Mitte mit der höllischen Parthie noch speciell verbunden, indem er den Drachen unter sich stösst.

Dem himmlischen Jerusalem gegenüber auf der linken Seite bis in die linke Ecke des Bildes hinab liegt die Hölle, in den ältern Bildern meist der offene, riesenhafte Rachen eines drachenartigen Thiers, in dessen Flammen schwarze Teufel die nackten Verdammten hineinschleppen. Wie in der Physiognomie der Verdammten Reue, Verzweiflung, Schrecken und der Ausdruck der verschiedenartigen Laster, um derentwillen sie verurtheilt worden, die Aufgabe des Malers sind, so in den Physiognomien und Gestalten der Teufel höllische Bosheit, Schadenfreude, Grausamkeit. Man wird unter den ältern Bildern kaum eines finden, auf dem nicht auch ein Papst, Cardinal, Bischof, Kaiser oder König in die Flammen der Hölle kämen. Das war nichts weniger, als Satyre, sondern zeigte in echt kirchlichem Sinn den so oft vorkommenden Unterschied zwischen dem Stand und der Person, der Pflicht und der Leistung. Uebertreibung,

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 560. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_560.jpg&oldid=- (Version vom 3.4.2023)