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beiderseitige Begegnung und ihr Streit um die Handlungsweise im gleichen Fall ist daher ein unumgänglicher Bestandtheil der heiligen Geschichte, in der Entwicklung der himmlischen Hierarchie, im Mysterium der Dreieinigkeit nothwendig begründet. — Uebrigens wird die Versuchung durch den Satan im Anfang der Lehrwirksamkeit des Heilands ergänzt durch die Angst auf dem Oelberg am Ende derselben. Dort war es die Lockung, sich der schweren irdischen Mission ganz zu überheben, hier die natürliche Menschenfurcht, durch die der Heiland versucht wurde.

Die Neapolitaner haben an die Versuchung eine artige Legende geknüpft. Der Teufel, sagen sie, habe den Herrn auf den Vesuv geführt und ihm das reizende Ufer umher als den schönsten Theil der Erde gezeigt. Da habe Christus aber geweint, weil er vorausgesehen, dass dieses irdische Paradies einst von den schlechtesten Menschen werde bewohnt werden. Aus seinen Thränen aber seyen die Reben gewachsen, von denen der köstliche Wein, noch jetzt Christi Thränen (lacrymae Christi) genannt, erwachsen. Mayer, Neapel II. 297.

Die Versuchung wurde oft gemalt, vorzugsweise die mit dem Steine. Seltsamerweise haben die Maler den Teufel immer in seiner abscheulichen Gestalt darstellen zu müssen geglaubt, obgleich es weit natürlicher erscheint, dass derselbe eine edlere Gestalt gewählt hat. Wie hätte er sich mit Hörnern und Bocksfüssen mögen anbeten lassen wollen? Wie hätte er sich der Herrschaft über alle Reiche der Welt gerühmt, wenn er in der Knechtsgestalt schwarzer Verworfenheit erschienen wäre? Indess wird die Sache um nichts gebessert, wenn Domenichino den Teufel als schlauen Rabbiner malt, oder Lucas Cranach als Greis mit grossem Bart. Lucifer als Geisterfürst in seiner Macht und Herrlichkeit und doch zugleich Verderbniss ist immer schwer zu malen, gewiss am schwersten aber gegenüber dem Gottmenschen. Auf alten Bildern kommen drei Teufel vor, wodurch die dreifache Art der Versuchung selber bezeichnet werden soll. Didron, man.

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 522. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_522.jpg&oldid=- (Version vom 29.3.2023)