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Tobias Hause gar betrübt aus. Die Mutter glaubte ihren Sohn verloren, weil er so lange nicht wiederkam, und sass täglich auf einem Berge am Wege, nach ihm aussehend. Da endlich kam Tobias mit dem Engel, der langsam nachreisenden Braut vorauseilend. Ihr Hund sprang ihnen voran, wedelnd und voll Freude zuerst in’s Haus laufend. Da fuhr der Alte so voll Freuden auf, dass er in seiner Blindheit sich stiess, die Mutter aber küsste den Sohn und weinte vor Freude. Die Heimkehr malte Dow (sein grösstes Bild, Passavant, England 220.) und Berghem. Der fromme Sohn aber hatte, auf Raphaels Rath, nichts Dringenderes nach der ersten Begrüssung des alten Vaters zu thun, als die Fischgalle auf seine blinden Augen zu legen, wodurch er sogleich wieder sehend wurde.

Nach sieben Tagen kam auch die schöne junge Frau mit Gefolge und Schätzen an. Da hatte des Engels Sendung ihren Zweck erreicht: die guten Menschen waren alle glücklich geworden. Der alte und junge Tobias aber beriethen sich, wie sie den Azaria belohnen wollten; als sie ihm aber die Hälfte all ihres Gutes anboten, antwortete er: „Lobet Gott, denn er hat mich gesendet, euch zu segnen nach der Trübsal; ich bin Raphael, der sieben Engel einer, die vor dem Herrn stehen.“ Da fielen Vater und Sohn auf ihr Angesicht. Der Engel aber sprach: „Fürchtet euch nicht, lobet und danket.“ Und er verschwand vor ihren Augen. — Der alte Tobias lebte noch zweiundvierzig Jahre und sah Kinder und Kindeskinder.

In dieser unübertrefflich lieblichen Idylle wird der Sieg der Unschuld theils über das Unglück, theils über das dämonisch Böse verherrlicht. Da dies auf der Hand liegt, ist es unsinnig, heidnisch mythische Beziehungen im Buch Tobias zu suchen, z. B. in der Schwalbe das Herbstsymbol, in der Blindheit das Wintersymbol und im Fisch das Frühlingszeichen sehen zu wollen. An dergleichen hat der Verfasser des Buches gewiss nicht gedacht.

Tobias ist eine Personification der Menschheit überhaupt

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 494. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_494.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2023)