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dich der Sturm ergreift, und wirft dich in die trübe Welle des Todes? Auch scheuen deine Füsse Schlamm, und deiner Zunge widert unreine Speise.“ — „Wer,“ sprach die Taube, „gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden? Lass mich, ich werde dir gewiss eine Dienerin guter Botschaft.“ Sie entflog und schwebte hin und her, und nirgends fand sie, wo sie ruhen könnte; als schnell der Berg des Paradieses sich vor ihr erhob mit seinem grünenden Wipfel. Ueber ihn hatten nichts vermocht die Wasser der Sündfluth; und der Taube war die Zuflucht zu ihr unverboten. Freudig eilte sie und flog hinan und liess demüthig sich am Fuss des Berges nieder. Ein schöner Oelbaum blühte da: sie brach ein Blatt des Baumes, eilte gestärkt zurück und legte den Zweig auf des schlummernden Noah Brust. Er erwachte und roch daran den Geruch des Paradieses. Da erquickte sich sein Herz: das grüne Friedenblatt erquickte die Seinigen, bis ihm sein Retter selbst erschien, bekräftigend der Taube gute Botschaft. Seitdem dann ward die Taube Dienerin der Liebe und des Friedens. Wie Silber glänzen ihre Flügel, sagt das Lied; ein Schimmer noch vom Glanz des Paradieses, das sie auf ihrer Wanderschaft erquickte.“

Eine gar liebliche Vorstellung ist auch die Taube in einem schwedischen Volksliede. Als Botin des Himmels ruft sie alle Vorübergehenden zu Jesu Reich, aber vergebens, nur eine fromme Jungfrau folgt ihr und stirbt als Braut des Herrn geschmückt. Afzelius, schwed. Volkssagen III. 32.

Tauben erscheinen sehr oft als Engel in den Heiligenlegenden. Die heilige Columba (Taube) erhielt diesen Namen von einer weissen Taube, die bei ihrer Taufe zu ihr flog, ihr einen Kuss gab und wieder verschwand. Tauben brachten der im Kerker verschmachtenden h. Katharina Nahrung. Eine Taube brachte der h. Ida von Löwen die heilige Hostie. Eine Taube brachte der h. Adelgunde den Nonnenschleier vom Himmel herab. Eine Taube brachte dem h. Remigius das berühmte Oelfläschchen vom Himmel her, aus dem alle

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 437. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_437.jpg&oldid=- (Version vom 31.3.2023)