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und Religionsspötter geworden, die daraus den Beweis haben herleiten wollen, es stecke doch allerlei Unwahrheit und kindischer Unverstand in der Bibel, weil die Sonne ja überhaupt nicht laufe, sondern immer still stehe und nur die Erde um sich laufen lasse. Inzwischen ändert dieser astronomische Einwurf an dem Wunder gar nichts, denn es läuft auf eines hinaus, ob die Sonne nur scheinbar und die Erde wirklich still gestanden oder umgekehrt. Der scheinbare Sonnenlauf wird überall in der Bibel anerkannt, nicht blos im Buch Josua. Die Stellen sind am sorgfältigsten gesammelt bei Riccioli, almagest. II. 480. In neuerer Zeit erklärt man das Wunder Josua’s aus der Anfangsstelle eines alten Liedes als eine poetische Redensart. Allein wir stehen hier auf dem Boden der Wunder. Man darf keines willkührlich herausreissen.

Der Engel in der Sonne, der nach der Offenbarung Johannis 19, 17. alle Vögel herbeiruft, um die Könige der vom Zorn Gottes niedergeschmetterten Völker zu fressen, dürfte wohl einigen Einfluss geübt haben auf die Vorstellungsweisen der Gnostiker, die den unten in den finstern Tiefen ächzenden Teufeln das Bild Christi als Gegenstand unerreichbarer Sehnsucht in der Sonne zeigen. Die Beziehung der Sonne zu den Verdammten und Teufeln entspricht hier der Beziehung derselben zu Christus.

Wenn Sonne und Mond neben einander vorkommen, so bedeuten sie als die in der sichtbaren Natur vorwaltenden Gestirne diese Natur selbst. So in ihrer Verbindung mit dem Crucifix. Beim Tode Jesu nämlich wurden beide Gestirne des Tages und der Nacht verfinstert und trauerten mit der ganzen Natur um den Heiland. Deshalb wurden Sonne und Mond im Mittelalter häufig zur Rechten und Linken des Heilands am Kreuz gemalt, mit dem Ausdruck der Trauer, indem man sich in den frühesten Jahrhunderten noch der herkömmlichen Gestalten der heidnischen Sonnen- und Mondgötter (Helios und Selene, Phöbus und Luna) bediente, später aber Gesichter in die Sonnen- und Mondscheibe hineinmalte und denselben Thränen und leidende Züge gab. Auf den

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 392. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_392.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)