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That immer nur vom heiligen Geist (der Taube) inspiriren zu lassen. Schlange und Taube stehen sich hier geradezu als Teufel und heiliger Geist gegenüber. — Die Vergleichung mit Dan, einem der zwölf Söhne Jakobs (1. B. Mos. 49, 17.) hat eine einfach ethnographische Bedeutung für die jüdischen Stämme und keinen Bezug auf christliche Symbolik. Das häufig auf alten Kirchen des europäischen Südens vorkommende Steinbild eines Weibes, an deren Brust Schlangen saugen, ist dagegen der ältern heidnischen Symbolik entlehnt, in welcher die in der Erde lebende Schlange auch das Element der Erde bedeutete, und stellt lediglich eine Personification der Erde dar. Vgl. Piper, christl. Mythol. II. 67.

Die Schlange über dem Kelche, Attribut des Evangelisten Johannes, wird erklärt als Gift, welches er einmal ohne Schaden im Kelche getrunken habe. Es lässt sich jedoch nicht leugnen, dass sich gerade in dieses Sinnbild jene schon bezeichneten gnostischen Vorstellungen gemischt haben können, die den Agathodämon in’s Christenthum übertrugen. Und vielleicht gerade weil bei diesem Evangelisten Johannes allein die Deutung der Mosesschlange auf Christum vorkommt, wurde Werth darauf gelegt, ihm die Schlange zum Attribut zu geben. Allein die ganz abgeschmackte und nichtswürdige Weise, in welcher die modernen Erklärer bei christlichen Symbolen stets zunächst an geistlose Nachahmung oder Adoption heidnischer Symbole denken, ist hier so wenig als anderswo anwendbar. In Böttigers kleinen Schriften I. 93 ff. wird mit einem fast lächerlichen Aufwand von Gelehrsamkeit die Agathodämon-Hypothese in Bezug auf den Kelch mit der Schlange durchgeführt. Wenn hier die Schlange allerdings etwas mehr zu bedeuten scheint, als das physische Gift, welches Johannes unschädlich getrunken, so doch gewiss nicht den Agathodämon oder gar die mystische Schlange des Dionysos. Man muss vielmehr jenes Gift geistig und ganz so verstehen, wie das oben erwähnte Sinnbild von der Schlangenweisheit, mit Taubensinn vereint, nämlich als die ihres Gifts beraubte Schlange der Erkenntniss. Alsdann

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 330. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_330.jpg&oldid=- (Version vom 14.12.2022)