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davon in einem Werk über specifisch christliche Symbolik zu reden. Der Paradiesesbaum mit der Schlange ist bisher von den Erklärern nur deshalb so oft auf den Hesperidenbaum bezogen worden, weil es ihnen darum zu thun war, die Selbstständigkeit und Eigenthümlichkeit der christlichen Ideenwelt in Zweifel zu ziehen und das Christliche überall aus heidnischen Wurzeln herzuleiten; da doch alle Vergleichungspunkte darauf hinauslaufen, dass dieselbe Giftschlange eine schlimme Bedeutung in den heidnischen Mythen annahm, wie in der ganz davon verschiedenen und unabhängigen christlichen Geschichte; eine zufällige Uebereinstimmung, die ganz natürlich ist, weil an der Schlange hier wie dort immer die nämlichen gefährlichen Eigenschaften wahrgenommen wurden.

Während in heidnischen Mythen immer ein männlicher Heros die Schlange überwindet, hält ganz unbekümmert darum und ohne Kenntniss dieser heidnischen Symbolik das 1. Buch Mosis die Vorstellung von „des Weibes Samen“ fest, welcher der Schlange den Kopf zertreten soll, 1. Buch Mos. 3, 15. Diese Hervorhebung des weiblichen Elementes stellt der Sünderin Eva die Mutter des Erlösers, Maria, gegenüber, der ersten Schuld auf Erden die erste wieder rein himmlische Unschuld auf Erden. Deshalb ist es in der kirchlichen Bildnerei allezeit Maria, welche den Kopf der Schlange tritt, unter deren Fuss sie sich windet, gewöhnlich den Apfel im Maul, der sie speciell als die Schlange des Paradieses bezeichnet. So in der Lorenzkirche zu Nürnberg und öfter. Fiorillo I. 259. Zuweilen ist der Apfel im Maul der Schlange auch die Weltkugel selbst, was den nämlichen Sinn hat, denn indem die Schlange die ersten Eltern verführte, hat sie die ganze Welt verführt. Das Zertreten des Schlangenkopfs durch Maria hat sein alttestamentalisches Vorbild in der Enthauptung des Holofernes durch Judith. Marian. Liederschatz, Augsb. 1841, S. 118.

Ursache und Folge der Sünde wird häufig contrastirt in den Bildern der verführenden und der überwundenen

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_328.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2022)