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diesen Eigenschaften erscheint die Schlange im Paradiese, indem sie die Eva verlockt, das Gebot des Herrn zu übertreten und vom Apfel zu essen. Sie wird im 1. Buche Mosis selber nicht Teufel genannt, dass sie aber denselben darstelle, beweist Buch der Weisheit 2, 24. Johannes 8, 44. Apostelgeschichte 12, 9. Eigentlich ist sie nur das Werkzeug des Teufels. Nach Jesaias 11, 8. ruhte im Paradiese die Otter friedlich neben dem Säugling. Sie wurde erst vom Teufel besessen und dadurch schädlich. Dies drückt das 1. Buch Mosis 3, 14. dadurch aus, dass Gott die vorher mit Füssen begabte Schlange verflucht, zur Strafe fortan auf dem Bauche zu kriechen. In den Mährchen des Mittelalters und in Volkssagen tritt überall der Volksglaube hervor, wonach die Schlange alle Sprachen verstehe, und wer Schlangenfleisch esse, werde dieser Gabe theilhaftig. Andrerseits wurde es Volksglaube, die giftigste Viper greife doch niemals einen nackten, sondern immer nur bekleidete Menschen an, in Erinnerung an das Paradies, aus dem sie verbannt worden. Isidor XII. 4. Vincent. Bellov. spec. nat. XX. 14.

Die um den Baum ringelnde Schlange ist allgemeines Sinnbild 1) des Paradieses, wenn es an Raum gebricht, etwas mehr davon darzustellen, aber auch 2) der von der Sünde umstrickten Welt, der Menschheit. — Auf Bildern des Sündenfalls hat die Schlange zuweilen einen Jungfrauen- oder einen Jünglingskopf, oder auch beide zugleich. Diese seltsame Symbolik erklärt sich aus der jüdischen Fabel, nach welcher Eva, ehe sie noch das Weib Adams wurde, mit der Schlange, in welcher der männliche Teufel Sammael verborgen war, Adam aber eben so mit der Teufelin Lilith gebuhlt haben soll. Eisenmenger, entdecktes Judenthum I. 371. Gfrörer, Kirchengeschichte I. 80. Darauf nun bezieht sich der menschliche Doppelkopf der Schlange. Der Jungfrauenkopf ist Lilith, der Jünglingskopf Sammael; auf einem italienischen Miniaturbild der Pariser Bibliothek hat die Schlange beide Köpfe, um Adam und Eva zugleich zu verführen. Didron, icon. p. 81; annales I. 74. Twining, symbols, pl. 76.

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_326.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2022)