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Gottes Zorn und nahen Untergang. Das ist eine der grossartigsten Scenen im alten Testament, und ein Vorbild für das Verhältniss des Staats zur Kirche. Denn wenn der Staat, um von der Kirche unabhängig zu seyn, die Kirche ganz unterdrückt, ihre Diener vertreibt und sich auf eigne Hand stellt, alle Abhängigkeit von Gott verleugnend, so kommt er in seiner Gottentfremdung in Bedrängnisse, die ihn nöthigen, angstvoll noch nach dem blossen Schatten der verlornen Kirche zu greifen. Aber dann ist es zu spät und das Gericht des Herrn wird ohne Erbarmen vollzogen, ehe ein frömmeres Geschlecht die Kirche wiederfindet.

Die Verheissung ging in Erfüllung. Saul wurde in einer grossen Schlacht von den Philistern überwunden; sein Sohn Jonathan und mehrere seiner andern Söhne fielen, er selbst liess sich von seinem Waffenträger mit dem Schwert durchstechen, worauf auch der Waffenträger sich in sein Schwert stürzte. So endete der unglückliche König, der wider seinen Willen zur Krone berufen worden war und sich ihrer nicht würdig erwiesen hatte, weil er nicht Gottes Geboten, sondern dem eigenen Willen gehorchen wollte. Er verstand das Königthum in der Weise, wie die Heiden, und sollte es doch in einem ganz andern Sinne verstehen; denn ein Gesalbter des Herrn bei den Juden sollte auch in der Furcht des Herrn leben und nicht selber Herr seyn wollen.

Saul eignet sich in vorzüglichem Grade zum Helden eines Trauerspiels. Deshalb ist er schon durch Hans Sachs, dann durch Holzwart (zu Gabel in Böhmen, vgl. Jördens VI. 346. Meyer, Faust S. 43.) 1571, ferner in einer Tragödie von 1606 (Gottsched, Vorrath I. 160.) und in einem Singspiel von Rolle auf die deutsche Bühne gebracht worden. Aber die Dichter standen alle schon auf dem Standpunkt der modernen Staatstheorie und konnten die Idee der Theokratie und den Charakter Samuels nicht mehr begreifen.

Tiefer fasste den Saul zuerst Alfieri auf, aber nicht glücklich; denn er gibt ihm dem Priester gegenüber Recht, und stellt ihn als ein edles Opfer dar. Der Franzose Soumet

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_313.jpg&oldid=- (Version vom 27.3.2023)