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5ten Jahrhunderts, war so fromm und beredt, dass er einmal, als er auf einer Reise unter die Räuber gerieth, dieselben bekehrte und sogar dahin brachte, ihr Raubnest in ein Kloster zu verwandeln. Er stiftete den Mönchsorden der Akömeten oder Schlaflosen, die mit einander abwechselnd Tag und Nacht ununterbrochen Loblieder auf Gott anstimmten. Helyot I. 294. Acta SS. 15. Januar. Desgleichen wurde der selige Petrus von Pisa, ein Eremit des 14ten Jahrhunderts, von Räubern überfallen, bekehrte sie aber und bewog sie, bei ihm zu bleiben und Mönche unter ihm zu werden. 17. Juni.

In andern Legenden tritt dagegen die Räubernatur in ihrer ganzen Bösartigkeit und Unzähmbarkeit hervor und contrastirt damit die Reinheit der Heiligen. St. Colomanus, ein Irländer, wollte als Pilger zum heiligen Grabe wandern, wurde aber unterwegs im Oesterreichischen für einen fremden Kundschafter genommen und zwischen zwei Räubern aufgehenkt (im Jahr 1012). Seine Heiligkeit aber gab sich dadurch zu erkennen, dass sein Leib unversehrt blieb, während die beiden andern von den Raubvögeln verzehrt wurden, und dass der Baum, an dem er hing, mitten im Winter grünte und blühte. Solches geschah zu Stockerau, von wo aber der Leichnam nach Mölk erhoben und über ihm eines der grössten Klöster der Welt gebaut wurde. — St. Gudwalus, Bischof in England im 7ten Jahrhundert, bewirkte durch sein Gebet, als er unter Räuber fiel, dass diese sich alle unter einander selbst ermorden mussten. 6. Juni. St. Chariton wurde von Räubern gefangen, aber eine Schlange kroch in das Weingefäss derselben und vergiftete sie alle, wodurch der Heilige gerettet wurde. Surius zum 28. September.

Wie nahe in der menschlichen Natur die Verthierung zum Räuber und die Erhebung zum Heiligen in einem Ausgangspunkte sich berühren, hat der Spanier Tirso de Molina in einem merkwürdigen geistlichen Schauspiel gezeigt, wie man denn in den spanischen Autos und geistlichen Dramen die sinnreichsten Ausdeutungen der Legenden findet. Er handelt vom Einsiedler Paulus. Dieser Fromme träumt einmal

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_258.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2023)