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Erde trocknet, die Wolken verziehen sich, Gott spannt am Himmel den Regenbogen aus zum Zeichen der Sühne und des neuen Bundes, aber der Rabe ist nicht dabei, er verweilt immer noch in den Sümpfen, die von der Sündfuth zurückgeblieben, bei den faulenden Aesern. — Das grösste Festessen aber erwartet der Todtenvogel noch nach der Offenbarung Johannis 19, 17, wo der auf der Sonne stehende Engel alle Vögel zusammenrufen soll, um das Fleisch der Könige zu fressen. Dieses Schreckensbild aus der Apokalypse entspricht genau jenem Bild aus der Sündfluth.

Der Rabe ist auch Sinnbild des Teufels, weil der Teufel den Seelen Verstorbener nachstellt, wie der Rabe deren Leibern. In vielen Legenden versuchen Teufel in Rabengestalt heilige Einsiedler zu necken, z. B. die Heiligen Bonifacius und Macarius, oder fliegen aus dem Leibe der Besessenen, nachdem sie von Heiligen gebannt worden, in Rabengestalt aus. Auf einem altdeutschen Bilde, das sich früher in Unterlimburg bei Schwäbisch Hall befand, jetzt aber in Stuttgart ist, wird der Teufel, der sich als Rabe beim Evangelisten Johannes eingeschlichen, vom zürnenden Adler, dem gewöhnlichen Begleiter dieses Apostels, gepackt und in die Augen gehackt. Der heilige Augustinus bezeichnet den Raben als teuflisches Thier schon deshalb, weil er immer cras (morgen, morgen, nur nicht heute!) rufe und dadurch die Menschen zur Faulheit verführen wolle. Draudius, Commentar zu Solinus III. 23.

Gott erweist seine unerschöpfliche Gnade, indem er auch so schlechte Thiere leben lässt und ernährt. Hiob 39, 3. Psalm 147, 9. Lucas 12, 24. Auch bedient er sich zuweilen gerade solcher Thiere, wie sie in Wüsten nicht besser vorkommen, zu Boten seiner Huld. Schon der Prophet Elias wurde in der Wüste durch einen Raben gespeist, 1. Kön. 17, 6. Eben so der heilige Einsiedler Paulus. Nachkommen des Raben, der dem h. Benedikt Brodt brachte, sollen noch auf dem Monte Cassino leben. So werden auch zu Lissabon am Grabe des h. Vincenz vier Raben unterhalten, weil sie

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_254.jpg&oldid=- (Version vom 20.3.2023)