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es den Juden, als solchen, gewesen seyn, sich alle Völker zu unterwerfen; während der Cultus aller, auch der fernsten Erdenvölker, um die alleinige Burg Zion her sich ganz natürlich durch die allmählige Verbreitung der christlichen Lehre und Heiligung erklärt.

Man theilt die Propheten, welche nach Elias und Elisa in der Zeit des tiefsten Verfalls und des Exils auftraten, in die vier grossen und zwölf kleinen ein. Von jedem derselben ist uns ein Buch erhalten, doch gehören die erzählenden Bücher Daniel und Jonas mehr der Geschichte an, während die andern sämmtlich Lehren und Visionen enthalten.

Die vier grossen Propheten sind Jesaias, in dem die erhabenste Begeisterung; Jeremias, in dem die tiefste Klage; Ezechiel, in dem die kühnste visionäre Phantasie, und Daniel, in dem die heiterste Hoffnung, gleichsam die ewige Jugend des Volkes Gottes mitten im tiefsten Elend sich aussprechen.

Man hat in ihm die vier Temperamente wiederzuerkennen geglaubt, in Jesaias das cholerische, in Jeremias das melancholische, in Ezechiel das sanguinische und in Daniel das phlegmatische. Auch vier Altersstufen, sofern Daniel als aufblühender Jüngling, Jeremias als hinwelkender Greis, die beiden andern mehr in männlichen Jahren gedacht wurden. Nach dem byzantinischen Typus erscheint Ezechiel älter als Jesaias. Kunstbl. 1832. S. 10.

Die Propheten sind „Gottes Mund“, aber ihr menschliches Wesen contrastirt mannigfach mit ihrer Mission. Elias ist allzu feurig, allzu zornig; deshalb mahnt ihn Gott zur Milde, indem er ihm nicht im Sturmwinde, nicht im Gewitter, sondern im sanften Säuseln erscheint. Jonas ist allzu gerecht und will die schuldigen Bewohner von Ninive bestraft sehen; aber Gott mahnt ihn zur Milde, indem er ihn beschämt. Jeremias ist ein milder, idyllischer Charakter, aber in den schrecklichen Tagen des Gerichts muss auch der Schwache erstarken; gerade ihm wird die Aufgabe, Prophet zu seyn in der Jammerzeit.

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_245.jpg&oldid=- (Version vom 20.3.2023)