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selbst deutet, wie gesagt, nur den gigantischen Typus an, ohne besondern Werth darauf zu legen. Ihm kommt es nicht auf das leibliche, sondern nur auf das sittliche Verhalten jener ersten Generationen an.

2. Die Corruption. Dies ist im 1. Buche Mosis das wichtigste Moment, weil dadurch die nachfolgende Sündfluth erklärt wird. Das Verderben der Menschen ist die natürliche Folge des Sündenfalls. Der durchgehende Gedanke ist, dass alle Erstgeburt verderben muss, und dass erst aus dem jüngern Geschlecht wieder der Retter und Erlöser hervorgeht. So verdirbt der erste Mensch Adam und sein Gegenbild erscheint erst im Erlöser Christus. Die ganze vorchristliche Zeit fällt in die dunkle Sündenseite; erst die nachchristliche Zeit in die helle Seite der Erlösung. Wie das von der ganzen Weltgeschichte gilt, so wieder im Einzelnen. Der erstgeborne Kain verdirbt, der gute Same wird nur fortgepflanzt im nachgebornen Seth. Die ganze erste Generation bis zur Fluth verdirbt, und der gute Same wird nur fortgepflanzt in Noah. In demselben Sinne ist später Esau verdorben und der jüngere Jakob wird Erbe des Segens. Das Verderben der Erstgeburt ist ein tief durch’s ganze alte Testament durchgreifender Gedanke.

3. Das summarische Vorbild der ganzen spätern Weltgeschichte. Wie in einem engen Spiegel drängt sich in der Geschichte der ersten zehn Patriarchen das ungeheure Bild des Weltschicksals zusammen. Wenn auch nur in der kürzesten Andeutung ist doch Alles schon in diesem Vorbild enthalten, was später sich in weitem Raum und langgedehnter Zeit entfaltet. Die klugen Söhne Kains, Erfinder der Künste und Waffen, die Bastarde von Gott und Mensch, die Gewaltigen der Erde, was sind sie anders, als die Vorbilder aller spätern Cultur und aller spätern politischen Corruption? Läge nicht dieses Vorbildliche in ihnen, so müsste man sich wundern, warum sie nicht roher aufgefasst erscheinen. Wozu die Künste in einer so frühen Zeit? Der durchgreifende Gedanke ist, dass die Völkermassen in dieselbe Sünde fallen,

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_199.jpg&oldid=- (Version vom 13.3.2023)