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Den unendlichen Reichthum der Wunder und der symbolischen Beziehungen Maria’s, der sich durch viele Jahrhunderte und über alle Länder vertheilt, an Einen Ort und in Eine Feier zu concentriren, ist unmöglich. Nur die griechischen Christen haben es versucht auf dem Berg Athos, der voller Kirchen und Klöster ist. Hier hat Maria von ihrer Geburt bis zu ihrer Himmelfahrt auf jeder Stufe ihres Wandels , ferner nach jeder ihrer Tugenden, Freuden und Schmerzen, und nach den hervorragendsten Wundern, die sie verrichtet, besondere Altäre und einen besondern Cultus, so wie auch die Farben und Formen ihrer Bekleidung und Ausschmückung auf’s Mannigfaltigste empfangen. Didron, annales IV. 83 f. – In Loretto, wo das von Engeln aus dem heiligen Lande an die apulischen Küsten getragene Haus der Maria verehrt wird, herrscht wenigstens in den an ihrem Altar niedergelegten Weihgeschenken eine unendliche Mannigfaltigkeit von symbolischen und historischen Beziehungen. – Auch bei den grossen Marienfesten und den dabei Statt findenden Prozessionen befleissigt man sich, namentlich im Süden Europa’s und Amerika’s, die Gnadenmutter in den mannigfachsten Beziehungen zu verehren und ihr die reichsten Attribute beizulegen. Jeder Stand, jede Zunft zieht mit besonderen Emblemen und Sinnsprüchen auf. Eine eigenthümliche Erscheinung dabei ist der „marianische Liebhaber“, ein Jüngling, der sich dem Dienst Maria’s ausschliesslich gewidmet hat und in der köstlichsten Kleidung und Ausschmückung an der Prozession Theil nimmt, in welchem die kindliche, volksthümliche Liebe zur heiligsten Mutter sich personificirt.

An die verschiedenen Frauentage oder Feste Maria’s im Jahr, so wie an die täglichen Andachten und Horen vertheilen sich die vornehmsten Erinnerungen an ihr Leben, wie die wichtigsten symbolischen Züge. Die Sänger der Marienlieder haben allezeit mit den Malern gewetteifert, sie zu verherrlichen und den ganzen Reichthum der christlichen Poesie zu entfalten, der durch die Allerseligste bedingt ist.

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_109.jpg&oldid=- (Version vom 6.12.2022)