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es gar schön: „Sey gegrüsst, du grüner Sammet der Wiese, auf dem Niemand weiden darf, als Engel und Jungfrauen.“

Immer herrscht bei der Jungfrau das Milde und Demüthige vor, sie ist vorzugsweise ancilla domini. Allein sie hat auch Momente der Siegesfreude, das Magnificat. Sie durfte sogar im Sinne des ritterlichen Mittelalters auch bewaffnet und als Amazone auftreten. Als die Stadt Sicli in Sicilien von den Sarazenen belagert wurde, erschien sie herrlich auf weissem Ross, in weissem Gewande mit weissen Waffen, eine Krone auf dem Haupt, und stürzte sich mit der siegreichen Lanze über die Feinde, die entsetzt davonflohen. Ihr Ross aber drückte seine Spur in einen Stein, der noch jetzt hoch verehrt wird. Gumppenberg, marian. Atlas Nr. 512. So kriegerisch tritt sie auch in einem spanischen Schauspiel auf. Ausland 1832. S. 268.

Das Gegenbild dazu ist die berühmte vièrge aux rochers des Leonardo da Vinci, die heilige Jungfrau von finstern Felsen umwölbt, die Lilie unter den Dornen, und die „schmerzenreiche Mutter“ unter dem Kreuz.

An die Mütterlichkeit Maria’s knüpfen sich übrigens ihre höchsten Eigenschaften, denn als die vollkommenste aller Jungfrauen wurde sie doch nur gewürdigt, die Mutter Gottes zu werden, und als Mutter trat sie erst in den höchsten Stand ein, während sie sich dadurch den tiefsten Leiden unterzog. Die Gottesmutterschaft ist bezeichnet in Sinnbildern der Litaneien: arca foederis, janua coeli, speculum justitiae, templum trinitatis, favus Samsonis (der Honig, der vom Löwen kam). An die Mütterlichkeit knüpfen sich die sieben Freuden und die sieben Schmerzen Mariä. Die Freuden sind: die Verkündigung, Heimsuchung, Geburt, Darbringung im Tempel, Wiederfindung des Knaben Jesu im Tempel, Auferstehung und Himmelfahrt Christi. Doch fügt man auch die Anbetung der heiligen drei Könige und die Himmelfahrt Maria ein. Vgl. Marian. Liederschatz. Augsburg 1841. S. 328. Die sieben Schmerzen sind: der Abschied vom Sohne, die Dornenkrönung, die Kreuzigung, der Essig- und Gallentrank, der Tod

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_098.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2022)