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d. Art. Barbara. Auf solchen Bildern sitzt Maria mit ihrem Kinde gewöhnlich unter einem goldnen Baldachin, oder in einem Thronsessel, der einem sich öffnenden Portale gleicht. Dem entspricht die Symbolik der Namen, die sie in den Litaneien erhält: porta orientalis, janua coeli, portus naufragorum, arcus aetheris.

Von tiefer Bedeutung ist ein Contrast in den Bildern, welche die niedrigste Stufe des Menschlichen und die höchste der himmlischen Verklärung im Marienleben darstellen. Die frommen Maler geben nämlich der in dem Himmel zu den höchsten Ehren erhobenen, von der Dreieinigkeit selbst gekrönten Maria die Demuth der Magd, während sie auf Bildern der Geburt Christi mitten in dem schlechten Stalle und unter die armen Hirten hinein die Mutter mit dem Kinde in königlicher Pracht mit der Krone malen.

Maria in der Herrlichkeit wird oft mit Schmuck allzusehr überladen, was noch mehr zu tadeln ist, wenn das Costüm geschmacklos gewählt ist. Dahin gehören die im Anfang des vorigen Jahrhunderts aufgekommenen Madonnen in steifgoldenem juwelenbedeckten Reifrock mit wollenweisser Frisur. Wenn Liebe und Andacht der Gläubigen das Urbild alles Schönen nicht reich genug schmücken können, so darf doch das Metall der edlen Würde des Ausdrucks keinen Eintrag thun. Aus demselben Grunde müssen auch die allzu spielenden Zierrathen, in denen ein Schein von Koketterie liegt, vermieden werden. Als Grenze mag hier bezeichnet seyn, was Hubert van Eyck in dem wunderlieblichen Bilde Maria’s auf dem Genter Altare sich erlaubt hat. Die Jungfrau kniet hier in holdseligster Anmuth, scheint laut aus dem Gebetbuch zu lesen, wie die halbgeöffneten Lippen verrathen, und trägt einen königlichen Mantel mit Juwelen besetzt und eine Krone von Juwelen, aus welcher Rosen, Lilien, Schneeglöckchen etc. blühen, und aus diesen Blüthen werden kleine Sonnen gleichsam ausgeduftet und schweben leuchtend über dem schönen Kopfe. Das Süsseste von jungfräulichem Reiz, was erdacht werden kann, aber auch nur in dieser Situation,

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_094.jpg&oldid=- (Version vom 19.11.2022)