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und Sinnbildern. Schon in der griechischen Kirche und in der abendländischen des Mittelalters liebte man, die durch die Geburt des Heilands unbefleckt gebliebene Jungfräulichkeit Maria’s durch prophetische Sinnbilder zu bezeichnen, die aus dem alten Testament genommen waren. Solche waren: der brennende und doch unverletzt bleibende Busch, aus welchem Jehovah zu Moses redete; – der Stab Aarons, aus dessen trocknem Holze Blüthen sprossten; – das Fell Gideons, das mitten im Thau trocken blieb; – die verschlossene Pforte bei Ezechiel, durch welche Gott hindurchging, ohne sie zu öffnen. Diese Sinnbilder findet man vereinigt auf einem schönen Marienbilde des van Eyck in Brüssel. Kugler, Gesch. d. Mal. II. 60. Vgl. Didron, annales IV. 67. Dazu kommt noch der verschlossene Garten, die verschlossene Quelle und der versiegelte Brunnen aus dem Hohenliede 4, 12. Auf altdeutschen Bildern sieht man nicht selten die heilige Jungfrau in einem rings ummauerten und verschlossenen schönen Blumengarten sitzen. In Conrad von Würzburgs goldner Schmiede, einem innigen Lobgesang auf die heilige Jungfrau, kommen noch folgende Sinnbilder vor: der kalte Kristall, an dem gleichwohl Feuer geschlagen wird; – der Sittig (Papagei), der vom Regen sterben würde, daher den Regen beständig flieht und doch auch ohne Regen auf’s Prachtvollste grünt; – die Mandelschale, welche ganz bleibt, auch wenn der Kern herausgefallen ist; – der Vogel Strauss, der auf den Eiern nicht brütet, sondern sie durch seinen blossen Blick belebt; – die Lilie, die unter Dornen unverletzt bleibt. Im defensorium beatae Virginis von Retza 1425 (Jacobs, Beiträge zur ältern Lit. I. 98 f.) werden Sinnbilder aus den heidnischen Vorstellungskreisen herbeigezogen, die nur gelehrte Spitzfindigkeit aufsuchen mag. Von solchen klassischen Liebäugeleien gewinnt das Christenthum nichts. Da wird des Aristoteles, Aelian und Plinius Naturgeschichte geplündert, um die alten Fabeln von den Geyern, die ohne Mann, und von den cappadocischen Stutten, die vom Wind

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_081.jpg&oldid=- (Version vom 19.11.2022)