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dem Tode des Heilands lautet: Nach dem Tode der Madonna, bei der Magdalena zuletzt zugebracht hatte, um ihr zu dienen, wurde sie mit Martha und Lazarus, ihren Geschwistern, so wie mit Maximinus und einigen andern frommen Christen von den Römern zum Spott auf ein leckes Schiff ohne Segel und Ruder gesetzt (eine Noyade, wie in der französischen Revolution), aber anstatt unterzusinken, kamen sie wohlbehalten nach Marseille. Hier wurde Lazarus, zu Aix Maximinus der erste Bischof. Martha gründete ein Kloster; Magdalena aber begab sich in ein wildes Gebirge in der Nähe und widmete sich der einsamen Busse in der Höhle la Baume. In dieser Höhle wohnte vorher ein Drache, der auch hervorkam und sie (ein ästhetischer Misston in dieser so schönen Legende) mit Haut und Haaren verschlang. Ein Engel zog sie aber lebendig wieder heraus und reinigte die Höhle von des Drachen Wust. Hier lebte sie nun viele Jahre, nackt und ohne irgend ein menschliches Wesen zu sehen, nur von Teufeln oder Engeln besucht. Einst erschienen die Teufel in Gestalt von Engeln und sangen ihr gar lieblich, verlangten aber, sie solle nicht mehr so viel beten. Oefters wurde sie von Engeln in den Himmel getragen und sah dessen Herrlichkeit. Sie büsste so lange in dieser Höhle, als sie vorher in der Weltlust gelebt hatte. Als ihr der Tod nahte und sie das Abendmahl zu empfangen wünschte, brachten die Engel sie nach Aix zum Bischof Maxentius, und nachdem sie kniend den heiligen Leib von ihm empfangen, starb sie. Man zeigt zu Aix noch ihren Todtenkopf, dessen Haut an der Stelle, wo Christus ihre Stirn berührt hat, ganz frisch ist, und dessen blonde Haare auch, so weit sie Christi Füsse berührten, noch erhalten sind. Ihre Seele soll von Engeln gen Himmel getragen worden seyn. 22. Juli.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass eine besondere Verehrung, welche der heiligen Magdalena in der Provinz zu Theil wurde, eine Reaction gegen die Blasphemie der Katharer gewesen ist. Denn diese Ketzersekte, die im elften Jahrhundert in der Provence gewaltig um sich griff und die berüchtigten

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_059.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)