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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

45.

Einem jungen Manne wurde gesagt seine Mutter wäre eine Hexe. Er wollte aufpassen, ob es wahr wäre, und in der Mainacht mußte ihm die Mutter bei der Grützemühle leuchten. Da wurde sie auf einmal zu einem Weidenbaum. – Der Sohn legte sich auf den Stall und paßte auf, wann seine Mutter wieder käme. Da kamen eine Menge Hexen, auf Kälbern und Gösseln angeritten, mit Musik ins Haus, und tanzten. Der Teufel, ihr Oberster, sagte: »Es sind zwei Augen zu viel da; soll ich sie auspusten?« Die Frau sagte: »Nein« – weil sie meinte, es wäre nur das kleine Kind.

Ehe sie weggingen, mußte jede geloben, etwas Böses zu thun. Die Frau sagte: »Wenn ihres Sohnes Frau auf der Diele beim Buttern das Kind wiegte, so wollte sie als alte Sau die Wiege umstoßen, daß das Kind den Arm bräche.« Den andern Tag sagte der Mann zu seiner Frau, sie sollte buttern, obwohl sie erst den Tag vorher gebuttert hatte. Die Alte ging auf der Diele hin, und gleich darauf kam eine alte Sau und warf die Wiege um, daß das Kind heraus fiel und den einen Arm brach. Der Sohn nahm einen dicken Knüppel und schlug der Sau zwischen die Ohren, daß Blut floß; und weil er ihr Blut gelöst hatte, so stand mit einem Mal die Alte da. Da sah der Sohn wohl, daß seine Mutter eine Hexe war; er zeigte sie an, und sie wurde verbrannt.


46.

Einem Kranken sollte das Abendmahl gebracht werden. Der Pastor sagte dem Küster, er sollte nur voraufgehen; er, der Pastor, würde gleich nachkommen. Als der Küster nun auf dem Wege war, begegnete ihm der Pastor schon, als käme er von dem Kranken zurück. Der Küster sah es ganz genau: es war sein Schimmel und sein Mantel, und lautlos ritt der Pastor an ihm vorüber. Dem Küster ging ein Schauder über den Rücken, doch er ging weiter zu dem Kranken. Da kam der Pastor auch bald hin, und sie gaben dem Kranken das heilige Abendmahl. Als sie dann weggingen, erzählte der Küster dem Pastor: an der und der Stelle wäre er ihm vorhin schon begegnet. Als sie an der Stelle waren, kam ihnen wieder der Reiter entgegen, dem Pastor sein Ebenbild. Da rief ihn der Pastor an: »Teufel! Was thust du in meiner Gestalt?« Sprach der Teufel: »So lange du den Mantel da trägst, der auf den heiligen Christabend genäht ist, so lange habe ich auch Gewalt, in deiner Gestalt zu gehen.« – Da ritt der Pastor schnell nach Hause, machte ein Feuer an und verbrannte den Mantel; und von der Zeit an nahm der Pastor den Schneider immer ins Haus, dann wußte er, daß sein Zeug nicht an einem heiligen Tage gearbeitet wurde.

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_137.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)