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Die Musik wird an wenig Orten mit glücklicherm Erfolge kultivirt als in Braunschweig, und dazu haben der Gefallen des regierenden Herrn Herzogs Durchlaucht an den Opern, und der feine Geschmack des Herrn Erbprinzen ein Grosses beygetragen.[H 1]


Anmerkungen (H)

    [259] gesprochen wird. Herr Wilhelm Friedemann Bach, der noch im Jahr 1772 in Braunschweig war, ist niemals in Bückeburgischen Diensten gewesen. Das ist der jüngste von seinen Brüdern. Das übrige, was von dem Aeltesten im Texte gesagt ist, hat seine Richtigkeit. Nur noch diesen kleinen Zusatz. So wie ihm ein jeder zugesteht, der ihn kennt, daß er einer der gründlichsten Orgelspieler in Europa ist, so ward ihm doch in Braunschweig, als eine, freylich nicht wichtige Organistenstelle zu besetzen war, die unser älteste Bach in seiner Situation zu suchen Ursach fand, von den Herrn Kirchenvorstehern jemand bey dieser Wahl vorgezogen, dessen Namen – seine Taufzeugen vermuthlich kennen. Herr Bach ist in diesem Jahre, 1773, wie ich eben erfahren, nach Göttingen gezogen.

  1. Es ist schon in einer vorigen Note angemerkt, daß die Kapelle eingegangen ist, und das geschahe ungefehr zu gleicher Zeit, da die Opern eingestellt wurden. Das ist aber noch nicht so lange her, daß sich, bey den Umständen, da das ganze Hochfürstliche Braunschweigische Haus musikalisch ist, und sich ausser den vorbenannten Tonkünstlern, noch einige brave Männer hier befinden, welche denen im Collegio Carolino Studirenden Privatunterricht geben, der Geschmack an guter Musik schon sollte verlohren haben. Das Concert, welches der Herr Professor Eschenburg, seit einigen Wintern hindurch besorgt hat, trägt auch das Seinige dazu bey. Ueberdem giebt es noch einige Liebhaber, welche der Tonkunst [260] Ehre machen. Die mir zuerst einfallen, sind, der Herr Postrath Gräf, dessen schon S. 43 erwähnt worden, und der ausser seiner sehr bekannten Odensammlung, die im gleditschischen Verlage in Leipzig herauskamen, noch neulich angefangen hat, die Cramerschen Psalme theilweise für eine Singstimme mit Begleitung von Violinen und Baß herauszugeben. Der Kammerherr von Kungsch, ein ehrebringender Scholar des Herr Schwanberger, und dessen Liebe zur Musik fast Leidenschaft ist. – Ich errinnre mich mit vielem Vergnügen, die Frau Legationsräthinn von Voigts singen, und die itzige Frau Professorinn Ebert, Tochter des obbenannten Herrn Postraths Gräf auf dem Claviere spielen gehört zu haben. Beyde gehören in eine ganz vorzügliche Klasse von Liebhaberinnen[WS 1] der Musik. Aus dem goldnen Zeitalter der Braunschweigischen Kapelle, aus den Zeiten der Graune und Simonettis sind noch am Leben, Herr Stolze, zu seiner Zeit ein vortreflicher Fagottist, und sehr guter Violinist. Auf dem letzten Instrument nahm er von dem Concertmeister Graun Unterricht, und überhaupt für den Vortrag des Adagio von dem Kapellmeister dessen Bruder. Herr Stolz spielt die Geige in Ansehung des Mechanischen auf eine ganz besondre Art. Er führt z. E. den Bogen mit der linken Hand, und die Geige selbst, ohne, wie man vermuthen sollte, sie links zu beziehen, hält er vertikal vor der rechten Brust, wie etwan eine Viola da spalla; und bey dieser Stellung war er nicht nur ein sehr guter Sologeiger, sondern auch ein zuverlässiger Anführer. Wie er denn noch [261] bis itzt, so viel ich weiß, die academischen Concerte zu Helmstädt dirigirt. Er spielte auch in seiner Jugend die Flöte traversiere; als er aber einst Se. Majestät, den König von Preussen, und Quantz, in dem Lustschloß zu Salzdahlum hörte, und einsah, der Ansatz auf dem Basson würde ihm beständig hindern, den wahren schönen Flötenton zu erzeugen, legte er solche gänzlich bey Seite, und ließ sich eine grosse Flaut a bec machen, deren tiefster Ton D war, wie die Fleuttraversire; setzte oben ein halbes Eß mit einem Rohre darauf, welches jedoch nichts that, als den Bassonansatz in der Lage zu erhalten, und auf diesem Instrumente, das von sehr angenehmen Tone war, und gar nichts Aehnliches mit der Flauto dolce hatte, als die Aplicatur, machte er hernach alles, was nur rührend oder auch schwer für die Traversiere gesetzt war. – Herr Matern, ein berühmter Violonschellist, der sich selbst gelehrt hat. Er selbst fühlt schon Etwas von seinem Alter in der Execution; er hat aber an seinen zwey Söhnen Schüler gezogen, die ihm Ehre machen. Er hat vieles für sein Instrument geschrieben, aber nichts öffentlich herausgegeben. – Herr Schönfeld, eigentlich ein Gelehrter, und gegenwärtig Hofmeister bey den Söhnen des Hrn. Geh. Raths von Münchhausen, hat die Musik zu einer seiner Lieblingswissenschaften gemacht. Er hat eine Sammlung französischer Chansons, eine deutsche, Oden und Lieder und eine kleinere von Freymäurerliedern herausgegeben, auch verschiedenes für das komische Theater gesetzt. Die Musik würde gewiß durch diesen empfindungsvollen Komponisten gewinnen, wenn er sich ihr ganz widmen dürfte.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Lieehaberinnen