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denn es liebt Gott den Gehorsamen, aber den Ungehorsamen haßt Gott.“[1]

Es ist ein wunderbares Walten des Schicksals, daß es unseren Tagen vorbehalten war, durch die Entzifferung der Schriftzüge jener ältesten Denkmäler Blicke in die Urgeschichte der Menschheit zu thun, die uns keine andere Forschung gestattet haben würde. Selbst die reiche Zahl von Monumenten, welche lange Jahrhunderte hindurch in Schutt und Staub begraben, an den Ufern des Euphrat und Tigris das Licht der Welt wieder erblickt haben und deren todter Mund von Neuem zu sprechen beginnt von der Macht und Herrlichkeit Babylons und Ninives und von der Weisheit der Assyrer, selbst jene Monumente gehören einer späteren Periode der Weltgeschichte an, in welcher der ewig arbeitende Menschengeist an den Ufern jener Ströme ein anderes, neues Centrum der Cultur aufbaute, das unabhängig vom ägyptischen, bereits im Hinwelken und Absterben begriffenen Geistesleben, seine Gedanken und seine Erfolge in der unbeholfenen Keilschrift ebensowohl riesigen Steinwänden als den frischen Thonziegeln in fünf und vielleicht noch mehr verschiedenen Idiomen mit scharfkantigem Griffel einprägte. Eine neue, unendlich complicirte Schrift, deren lebendiges Element das Sylbenzeichen ist, ohne jeden Fortschritt in dem schriftlichen Ausdruck des Gedankens.

Aber auch diese Schriftdenkmäler, welche gegenwärtig vor allem ganze Bibliotheken auf Thonziegeln umfassen, haben ihren unbestreitbaren hohen Werth für die Geschichte der Menschheit. Strahlte bisher im grauen Alterthume von den Ufern des Niles her das hell leuchtende Gestirn der Gesittung in das Dunkel[WS 1] der Menschheit hinein, so erhob sich nun, in der zweiten großen Culturperiode, ein neuer Stern im Osten, der mit eigenem Glanze nach Westen hin leuchtend, mit den äußersten Lichtstrahlen

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Anmerkungen

  1. [31] Seite 16 Zeile 5 ff. ebendort.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Dunke
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Brugsch: Ueber Bildung und Entwicklung der Schrift. C. G. Lüderitz’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1868, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brugsch_Bildung_Entwicklung_Schrift_1868.pdf/31&oldid=- (Version vom 31.7.2018)