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lebenden Geschlechter. Versetzen wir uns zum Schlusse an jene Stätten uralten Culturlebens und verfolgen wir vor ihnen jene Spuren, die mit den Buchstaben und mit der Schrift in engem Zusammenhange stehen.

Wenn die Frage nach dem Alter der Menschheit, nach dem heutigen Stande der Wissenschaft, immer noch der Beantwortung entgegensieht, so hat dagegen die Frage betreffend die ältesten Zeugnisse des Vorkommens der Menschheit d. h. der Menschheit, welche Zeugnisse ihres Daseins hinterlassen hat, ihre Antwort bereits empfangen. So weit die Denkmälerkunde bis heute reicht, so weit der Culturboden der alten Welt durchwühlt und durchforscht ist, erscheint Aegypten als das Centrum der ältesten Gesittung. Kein Volk, kein Land der Erde hat gleichzeitige Denkmäler hinterlassen, welche an Alter die ägyptischen überträfen.[1] Und diese Denkmäler, welche über die Grenzscheide des fünften Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung hinausreichen, sie lassen nirgends die Anfänge einer sich erst bildenden Cultur errathen; ganz und fertig treten sie uns entgegen, ja sie zeigen uns bisweilen, – ich habe als Beispiel nur auf die Sculpturwerke dieser ältesten Epoche der menschlichen Geschichte überhaupt zu verweisen – eine Vollkommenheit und Vollendung, welche die spätere Zeit, selbst in ihren glanzvollsten Perioden, niemals erreicht hat.

Als ein sehr wesentliches Element dieser Denkmäler erscheint die Schrift nicht etwa in ihren Anfängen, sondern als ein ausgebildetes System, in cursiver zum Schreiben auf Papyrus geeigneter Gestalt und in ausgemeißelten, bunt bemalten ornamentalen Charakteren. Stein, Holz, Thierhäute und Papyrus dienten als Material zum Schreiben; die schwarze und die rothe Farbe, letztere gewöhnlich zur schärferen Bezeichnung neuer Satzglieder oder Text-Anfänge,

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Anmerkungen

  1. [31] Vergl. R. Lepsius geistreiche und lichtvolle „Einleitung zur Chronologie der alten Aegypter“ (Berlin 1848), worin die Beweise unserer Behauptung über das Alter der ägyptischen Denkmäler übersichtlich und in der wünschenswerthesten Vollständigkeit zusammengestellt sind.
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Brugsch: Ueber Bildung und Entwicklung der Schrift. C. G. Lüderitz’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1868, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brugsch_Bildung_Entwicklung_Schrift_1868.pdf/27&oldid=- (Version vom 31.7.2018)