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Wilhelm Stieda (Hrsg.)Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

ihr vor. Durch einen Läufer schickt er an seinen Freund Bokel in Köln ein Packen Kleidungsstücke, „umme my to vorwarende“, wie er naiv in seinem Handelsbuche bemerkt und läßt andere Kleider und Hausgerät durch einen Vertrauten verkaufen. Seine Absicht war, in der Pfingstmesse, die im Jahre 1421 auf den 11. Mai fiel, wie alljährlich nach Antwerpen zu gehen und von dort aus auszurücken.

Man darf ob dieser Absicht über Hildebrand nicht zu streng urteilen. Denn die Absicht war nicht, sich dauernd seinen Verpflichtungen zu entziehen, sondern nur ferne von den Zugriffen seiner Gläubiger in Ruhe die Schulden abwickeln zu können. Die Flucht eines Bankerotteurs mochte in jener Zeit um so weniger schlimm angesehen werden, als er im fremden Lande saß, wo wenige ihn kannten, wenige wußten, wo er eigentlich zu Hause war, und gegen ihn daher von Rechts wegen um so härter vorgegangen werden konnte, während er nichts anderes wollte als Zeit gewinnen, um seinen Verbindlichkeiten gerecht werden zu können. In jener Zeit war es, daß Sivert Veckinchusen an seinen Bruder über einen ähnlichen Vorfall berichtete: „Tydeman Swarte es myt kleyner ere van hyr und here havet syk wol to wachten, syne schuldenere hebben em naschycket und wellen 500 gulden vorteren eder en in venknisse to brengen“. Aber so entrüstet das klingt, so fügt der bedachtsame Mann hinzu, da er überlegt, daß Swarte möglicherweise mit Hildebrand, zu dem er doch Geschäftsverbindungen unterhielt, Rücksprache nehmen könnte: „darumme warnet en also gy best kunnen“. Bei Hildebrand kam hinzu, daß er, obwohl er ja seine Lage durch zu große Waghalsigkeit verschuldet hatte, durch die Beziehungen zu den Wucherern übermäßig hohe Verpflichtungen auf sich geladen haben mochte.

Zur Ausführung seines Plans kam es jedoch nicht. Sein Hauswirt in Brügge, Jakob Schotteler, wußte durch geschickte Überredung und Vorspiegelung falscher Freundschaft ihn von seinem Vorhaben abzubringen.

Die Schottelers oder Scuetelare, wie ihr Name vlämisch lautete, gehörten zu einer angesehenen Familie in Brügge. Ein Jacob de Scuetelare wird 1332/1333 als Schöffe in Brügge genannt und beinahe 100 Jahre später sind in der Zeit von 1403—1412 ein Lievin und ein Lubrecht als Schöffen und Bürgermeister erwähnt[1]. Ein Ratmann Jakob Schotelare wurde gegen 1379 von Brügge zu Verhandlungen mit dem Orden nach Preußen entsandt[2]. Über einen Lubbert Scoteler, der den von ihm beherbergten Kaufmann übervorteilt hatte, wird 1387 Klage geführt[3]. Ob nun der mit Hildebrand Veckinchusen geschäftlich verkehrende mit dieser Familie verwandt war, läßt sich freilich nicht nachweisen. Er hatte nach der Sitte der Zeit ihm und Engelbrecht Veckinchusen sein Haus als Herberge geöffnet und war damit verpflichtet, für etwaige Schulden seiner fremden Gäste die Verantwortung zu tragen. Genug, als er merkte, daß Hildebrand in geschäftliche Schwierigkeiten geraten war, und dieser sich nach seiner Gewohnheit zur Messe nach Antwerpen begeben hatte, schrieb er ihm, um ihn zur Rückkehr nach Brügge zu überreden. Seine Gläubiger wünschten sich

  1. Gilliodts van Severen, a. a. O. I S. 181, 428, 462, 466. Hans. U. B. 5 nr. 589, 899 Anmerk. 2, 1077.
  2. Hans. U. B. 4 nr. 661.
  3. H. R. I Abt. 2 nr. 343 § 45.
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: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite XXXVI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_XXXVI.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)