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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

leider undatiert, atmet einen Ton tiefer Unterwürfigkeit und Demut, wie ihn eben nur der zur Schau zu tragen pflegt, dem das Messer an der Kehle sitzt[1]. Nach seinen Aufzeichnungen schuldete er dem Rafael 80 Pf. 9 sl.[2].

Alle die Jahre hindurch war Hildebrand längere Zeit offenbar nicht in Lübeck gewesen, wenigstens nach seinen Briefen zu urteilen. Nur für kürzere Zeit hatte er sich von Brügge entfernt, um die niederländischen oder vlämischen Städte Gent, Sluys, vor allem die Messe zu Antwerpen zu besuchen. Einmal war er im Auftrage des gemeinen Kaufmannes beim Kaiser Sigismund gewesen, eine Berührung, die ihm indes kein Glück brachte, obwohl er zu ihr vielleicht gerade deshalb ausersehen worden war, weil der König Ruprecht ihn im Jahre 1409 aus unbekannter Veranlassung mit einem Schutzbriefe begnadigt hatte[3].

Der hansische Kaufmann sandte 6 Vertreter an den römischen König, wie es den Anschein hatte, um ihm zum Regierungsantritt zu huldigen, „myt einen prosente eme to brengen“ und die ebenso geldbedürftige als unwirtschaftliche und verarmte Majestät benutzte die bequeme Gelegenheit, den sechs erschienenen Hanseaten ein Darlehen von 3000 Kronen abzunehmen. Allerdings versprach der gemeine Kaufmann den nach Brügge zurückgekehrten sehr wider ihren Willen zu kaiserlichen Gläubigern gewordenen Genossen, sie zu entlasten und die Schuld auf sich zu nehmen. Doch hatte es dabei sein Bewenden und Hildebrand hat die größte Mühe gehabt, seinen Anteil wieder zu erhalten. In den Briefen ist viel davon die Rede. Bis 1421 war ihm das nicht gelungen und möglicherweise lag auch in diesem Geschäft eine der Ursachen zu seinem Untergange.

Während er nun wahrscheinlich alle diese Jahre Lübeck nicht oder nur flüchtig gesehen hatte, jetzt, wo ihm die Wucherer auf den Fersen waren, entschloß er sich dahin zu reisen, vielleicht in der Hoffnung persönlich für Verbesserung seiner Lage tätig sein zu können. Von Tag zu Tag den Ritt aufschiebend, wie aus den Briefen an seine Frau erhellt, traf er endlich im September 1419 in Lübeck ein. Mit seinen Geschäftsfreunden Dietrich Borgher und Tidemann Brekelvelde hält er sofort Abrechnung, die ihm indes wohl über die Schwierigkeit seiner Lage die Augen öffnen mochte. Lange hielt er sich denn auch nicht in Lübeck auf. Er fand augenscheinlich bestätigt, was Sivert ihm oft genug geschrieben, daß man auf seine Freunde sich nicht verlassen könne, daß in Lübeck bare Mittel nicht vorhanden seien und dergleichen beängstigende Tatsachen mehr, die ihm schon bekannt geworden waren. Auch war ja die erste Zeit nach der Wiedereinsetzung des Rats in Lübeck dem Handel, wie oben schon auseinandergesetzt wurde nicht sehr günstig. Somit fand Hildebrand den Boden von Lübeck für seine Bestrebungen nicht geeignet und kehrte nach wenigen Wochen nach Brügge zurück. Hier hatte sich unterdessen die Lage für ihn nicht gebessert. Geld hatte er nicht mitgebracht. Täglich machten sich neue Forderungen geltend. In dieser Not dachte er an einen Ausweg, den schon mancher Schuldner vor ihm ergriffen hatte: er sann auf Flucht. Sorgsam bereitet er alles zu

  1. nr. 470.
  2. nr. 499 (3), 499 (4).
  3. Siehe Näheres über diesen Vorgang Hans. Geschichtsbl. 1887. S. 63ffg. „Ein Geldgeschäft Kaiser Sigismunds“.
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: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite XXXV. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_XXXV.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)