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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

So erklärt es sich, daß Hildebrand in Brügge in immer größere Verlegenheiten geriet. Während der Monate Januar bis Oktober 1417 allein kauft er für 466 Pfund vläm. und 900 Rhein. Guld. Wechsel, die seine Freunde in Hamburg, Lübeck, Danzig und London bezahlen sollen. Seinem Bruder Sivert klagt er wiederholt seine Not, der ihn jedoch kühl zurückweist und nicht müde wird zu versichern, daß er ihm ebenfalls nicht helfen könne. Wie arg die Bedrängnis Hildebrands gewesen sein mag, belegt wohl der Umstand, daß vom 1. Mai bis 30. Dezember 1418 aus Siverts Händen nicht weniger als 18 meist verhältnismäßig umfangreiche Briefe vorliegen, die als Antworten auf die an ihn herantretenden Wünsche des Bruders anzusehen sind. Immer beteuert Sivert dasselbe, daß ihm nämlich kein Geld zur Verfügung stände, um den Bruder zu retten.

In dieser Not nimmt Hildebrand seine Zuflucht zu den berufsmäßigen Geldverleihern in Brügge, zu den Lombarden, mit denen der Kaufmann ja überhaupt zu verkehren angewiesen gewesen zu sein scheint, ohne deren Hilfe er bei Überweisungen vielleicht nicht bestehen konnte. In den Hansestädten wurden sie nicht geduldet, in Frankreich und England während des Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts auch nicht immer glimpflich behandelt. Bald verjagt, bald zurückberufen, fristen sie ein Dasein, das täglich aufs neue erschüttert war. In Brügge hatten sie sich seit geraumer Zeit Anerkennung zu verschaffen, seit 1281 die Erlaubnis zu dauerndem Aufenthalte zu erringen gewußt. Sie zahlten gewisse Abgaben und hatten das Recht, Leihbänke aufzuschlagen. Wohl unterschieden von den Wechslern oder wisselaers, die Geld und fremde Münzsorten umwechselten, hießen sie woukeraers und pflegten einen Zins von 2 Groten für das Pfund vläm. pro Woche zu nehmen[1]. In den hans.-venetianischen Handelsbeziehungen sind einige Namen von Trägern dieser Geldgeschäfte genannt. In den Briefen werden namentlich Mitglieder der Familie Spinghel genannt. Als zu ihr gehörende Geldleute erscheinen: Aron, den man heyt Hardement, Arnd, Benno, Joris, Nikolaus, Paul und namentlich Rafael. In den geschäftlichen Aufzeichnungen Hildebrands aus verschiedenen Zeiten, sämtlich undatiert, sind mehrfach Namen von solchen Persönlichkeiten aufgezeichnet, die wohl ebenfalls in die Kategorie dieser „dunkelen Ehrenmänner“ hineingehören[2].

Die Spinghels gehören zu einer aus Genua nach Flandern gekommenen Kaufmannsfamilie. In den Hanse-Rezessen und hansischen Urkundenbüchern aus der für uns in Frage stehenden Zeit sucht man Vertreter ihres Namens vergeblich. Wohl aber lassen sie sich von 1369 bis 1456 in Brügge nachweisen. Der Name wird ähnlich wie in den uns vorliegenden Briefen ganz verschieden geschrieben: Spinola, Spinghele, Spinula, Spinulli, Spinelli, Spingheel. Es ist indes kaum einem Zweifel unterworfen, daß man ihnen immer wieder Vertreter derselben Familie, die sehr weitverzweigt und zahlreich gewesen sein dürfte, vor sich hat. Um 1420 wird ein Jasper Spinula als „facteur du connestable de Castille“ bei Gelegenheit der Wegnahme

  1. Hans.-Venet. Handelsbezieh. S. 82 ffg.
  2. nr. 499.
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: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite XXXIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_XXXIII.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)