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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

und üppigen Sitten, die größere Wohlhabenheit ihn fesselten, sei es, daß er erst genügend erworben haben wollte, um nachher in Lübeck seiner Frau und den Kindern ein behaglicheres Leben bereiten zu können, sei es, daß er schon zu sehr in seine Geschäfte verstrickt war und sich nicht ohne weiteres lösen konnte, genug, er blieb in Brügge und ließ sich in neue, leider wie der Erfolg ihn zu spät belehrte, gewagte Spekulationen ein. Wie es einem anfangs vom Glücke begünstigten Kaufmann gehen kann, unternahm er auf einmal zu viel.

Zu diesen ihm viel Sorge und wenig Freude bereitenden Geschäften gehörte der Handel nach Venedig[1]. Daß die Hansen um diese Zeit auf eigenen Schiffen nach dem Mittelmeere fuhren, ist nicht bekannt. In der Regel versorgten sie sich in Brügge bei den dort stets sehr zahlreichen Italienern, insbesondere Venetianern, mit den Waren, die jene aus der Levante geholt hatten. Hildebrand scheint einer von denen gewesen zu sein, die diese Abhängigkeit von den vielfach wucherisch gesinnten Lombarden empfand und sich von ihr frei zu machen bestrebt war. Mit seinem Bruder Sivert und einigen Freunden bemüht er sich direkt nach Venedig zu handeln. Seinen Neffen Kornelius schickt er für längere Zeit nach der berühmten Lagunenstadt, um dort den Vertrieb der Waren zu überwachen. Die Gegenstände, die er von dorther bezieht, sind die üblichen Spezereien, aber auch schon Hutzucker, Mehlzucker, Brasilienholz, Allaun, Weihrauch u. a. Dagegen lieferte er dahin Paternosterkränze aus Lübeck, Pelzwerk, Tuche verschiedener Herkunft. Unter diesen erscheint namentlich eine Sendung von 400 Sarken oder Sardoken im Jahre 1417 für mehrere tausend Dukaten erwähnenswert. Die Sardoke waren ein Wollstoff, in Brügge nach Ausweis dortiger Stadtrechnungen zu Anfertigung von Standarten und Bannern benutzt. In Deutschland, wesentlich in Ulm und Augsburg hergestellt, scheinen sie eine andere Art von Gewebe gebildet zu haben, ein dünnes Zeug von Baumwolle (oder Wolle?) und Leinen, das zu Unterkleidern der Frauenwelt verwandt wurde[2]. Sivert kann in seinen Briefen nicht Worte genug finden, diese venetianischen Geschäfte zu tadeln, aber freilich, nachdem er sich zuerst auch an ihnen beteiligt hat. Wenigstens schreibt er ihm 1418: „ic wolde, dat ic myn schult inhedde und dat ic nummer to Venedyen handelynge hebben solde“[3] und rät seinem Bruder die Beziehungen nach Venedig abzubrechen. Flandern, Preußen, Livland, das seien die „guden olden neringe“, bei denen sich etwas verdienen ließe. Besonders über den Handel mit den Sardoken, an dem sich zu beteiligen Hildebrand offenbar den Bruder aufgefordert hatte, war Sivert sehr unglücklich. „Ic segedet ju tovoren, dat et neyn profyt werde to Venedyen to senden dey sarke unde gy boden my, dat ic dat eventuere half staen wolde, doe segede ic neyn“[4]. Und weiter unten in demselben Briefe „were profyt an sarken, dey Noremberger unde ander lude solden er ghenoech voren“.

Verliefen somit diese venetianischen Geschäfte nicht in erwünschter Weise, so ist Hildebrand gleichwohl durch einen Mißerfolg keineswegs entmutigt.

  1. Genaueres in meinen Hans.-Venetianischen Handelsbeziehungen 1894. S. 36ffg.
  2. Über die Sardoke s. genauere Angaben in den Hans.-Venetian. Handelsbeziehungen. S. 109—110.
  3. nr. 184.
  4. nr. 183.
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: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite XXX. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_XXX.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)