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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

Umgekehrt ersuchen ihn seine Handelsfreunde, keine Beträge oder keine zu großen Beträge auf sie zu verkaufen, da der Absatz der Ware nicht in erwünschtem Umfange sich vollzogen hat und sie deswegen in Verlegenheit zu geraten drohen. In seinen Büchern sind Beträge von 20, 85, selbst 100 und 200 Pfund vlämisch nachgewiesen, in den Briefen 150, 300, 400 Rheinischen Gulden oder 400 Kronen[1].

Seinerseits nimmt Hildebrand von Kaufleuten, die von Brügge aus nach Lübeck, Danzig, Köln, London usw. reisen oder dorthin zurückkehren, Geld entgegen im Betrage von 60, 45, 30, 24 Pfund vlämisch, für die er ihnen dann Briefe an seine Freunde in den genannten Städten gibt. Der für sie gebrauchte Ausdruck ist „breve“ und „wisselbreve“ auch „overkop“. Mit dem „Überkauf“ erkaufte man in der Verschreibung das Anrecht auf eine an dem fremden Orte zu erhebende Geldsumme. Ihrer Form nach sind sie teils domizilierte Eigenwechsel mit 2 bis 3 Personen, teils Anweisungen[2].

Dieser Wechselverkehr, der zu Beginn des 15. Jahrhunderts bereits sehr großen Umfang angenommen hat, bot mehrfachen Vorteil. Man vermied die Gefahr, die in jenen Tagen mit der Versendung baren Geldes verbunden war. Man hatte immer die landesübliche Geldmünze zur Verfügung und die Annehmlichkeit in einer Zeit, wo die Geldklemme eine chronische zu sein pflegte, wo oft über den Mangel an hartem Gelde geklagt wurde, einige Zeit hindurch seiner entraten zu können. Der Vorrat an hartem Gelde war zu dieser Zeit in allen europäischen Ländern ein geringer. Beständig wird darüber geklagt, daß nicht genug Umlaufsmittel vorhanden sind. Man empfindet es als einen Vorzug, daß man bei Mangel an ihnen die Zahlung um einige Wochen hinausschieben konnte.

Trotz aller Geschäftsgewandtheit, die Hildebrand offenbar auszeichnete, und obgleich er die Lage des Weltmarktes sorgfältig erwogen haben wird, ehe er sich an einer Unternehmung beteiligte, blieben ihm gewisse Verlegenheiten nicht erspart. Seine Kühnheit oder sein feuriges Temperament verführten ihn dazu, sich in weitschichtige Geschäfte einzulassen. Wiederholt ermahnt Sivert Veckinchusen in Lübeck den Bruder zur Besonnenheit. „Ic hebbe ju lange beden, dat gy ju nicht to hoge beslogen“, heißt es in einem dieser Briefe. Von Lübeck aus wird er mehrfach aufgefordert, Brügge gänzlich aufzugeben und nach Lübeck zurückzukehren. „Hirumme dot wol und komet to hus, so gy erst mogen, daz is not.“ Auch die livländischen Verwandten scheinen Brügge auf die Dauer nicht als einen passenden Aufenthaltsort angesehen zu haben, denn sie fordern ihn auf nach Riga überzusiedeln, wo sich gerade gute Gelegenheit zum Ankaufe eines Hauses bot. Indes Hildebrands Tatendrang ließ alle solche gutgemeinten Ratschläge unbeachtet. Sei es, daß der angenehme Wohnsitz in Brügge, die heitere jovialische Umgebung, die milden

  1. nr. 24, 38, 40, 46, 54, 68, 94 usw. Das Pfund vlämisch ist gleich 4½ M. Lüb. rund anzusetzen. Die Krone und der Dukaten lassen sich zu 1 M. Lüb., der Rheinische Gulden zu der hier in Frage stehenden Zeit mit durchschnittlich 14 Schill. Lüb. beziffern. Näheres darüber in den Hans.-Venetianischen Handelsbez. S. 73ffg.
  2. n. 181. Näheres in den Hans.-Venetian. Handelsbez. S. 78ffg.
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: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite XXIX. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_XXIX.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)