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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

als „Spielpfennige“, d. h. als Nadelgeld neben der Mitgift zugedacht. Ausdrücklich wird in dem Schreiben bemerkt, daß diese hundert Mark nicht in dem vorher angegebenen Betrage enthalten sein sollen, doch behielt sich Vater Witte freilich vor, diese Summe sofort herauszuzahlen oder nicht. Mit ihnen wollte man den in weiter Ferne Weilenden gewinnen, ohne sich doch endgültig die Hände gebunden zu haben. Unklar bleibt in dem Briefe nur die Wendung „unde kost unde cleder“. Sollte Hildebrand nach Riga übersiedeln und im Hause der Schwiegereltern freien Aufenthalt genießen? Oder sollte der Tochter eine gewisse, die Kost und Bekleidung darstellende Summe jährlich zugewandt werden? Die beiden Rigaschen Herren fanden diese Bedingungen in hohem Grade annehmbar und forderten den jungen Mann auf, den Fall genau zu überlegen. Sie meinten, „dat dit gude weghe sin“. Hildebrand muß dasselbe gedacht haben, denn er entschloß sich dem Vorschlage zu folgen und die junge ihm so angepriesene Jungfrau heimzuführen. Er hat es offenbar nie zu bereuen gehabt, denn die Frau, obwohl sie es später schwer hatte, hielt treu zu ihm und ließ sich von seiner Seite, obwohl ihre Verwandten vieles getan zu haben scheinen, sie ihm zu entfremden, nicht entfernen.

Wielange Hildebrand in Riga sich aufhielt, ob er dort im Geschäfte seines Schwiegervaters tätig war oder bald nach Brügge oder Lübeck übersiedelte, läßt sich nicht mehr feststellen. Schon im Jahre 1403 ist er wieder in Brügge. Damals wandte der Rat zu Riga sich an den gemeinen Kaufmann der deutschen Hanse in Brügge mit der Bitte, seinem Mitbürger Engelbrecht Witte in einer Streitsache mit einem anderen Kaufmann Heinrich Snoye beizustehen. Hildebrand Veckinchusen zusammen mit Tideman Röder wurden dazu ausersehen, die Rechenschaft, die Snoye schuldig geblieben war, in Empfang zu nehmen[1]. Konnte Hildebrand hierbei seinem Schwiegervater behilflich sein, worüber diesen dankend quittierte, so war die Freundschaft mit ihm doch bald zu Ende. Und zwar wie es scheint wegen der 100 Mark Spielpfennige, die Witte zu zahlen versprochen hatte. Hildebrand berief sich darauf, daß dieser Betrag ihm zugesagt worden war, während der Schwiegervater nichts mehr von diesem Versprechen wissen wollte. Als Hildebrand sich auf das Zeugnis des Ratsherrn Visch berief, meinte Witte spöttisch „Wenner ghy der hundert marc nicht untberen wolden, so solde he se utgheven“. Witte berief sich darauf, daß alles, was er dem Schwiegersohne zugesagt hätte, in das Stadtbuch eingetragen worden wäre. Caesar Veckinchusen hätte seine Ausführungen wohl mißverstanden. Jedenfalls lege Hildebrand viel zu großes Gewicht auf den Empfang dieser Summe. Im übrigen blieben sie beide trotz dieser verschiedenen Auffassung in gutem Einvernehmen. Witte unternahm mit Hilfe seines Schwiegersohnes verschiedene Geschäfte und schickte gelegentlich einen Kasten mit Fleisch nach Brügge zum Zeichen seiner Dankbarkeit[2].

Hildebrand aber wurde Zeit seines Lebens den Verdacht nicht los, daß er von seinem Schwiegervater mit den 100 Mark hintergangen worden war.

  1. nr. 8.
  2. nr. 11.
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: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_XXI.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)