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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

durchweg guten, insofern dem Vater über seinen Sohn Jost, dessen ungeberdiges Wesen ihm manchen Kummer bereitet haben dürfte, Mitteilungen gemacht werden.

Außer den geschäftlichen Mitteilungen enthalten die Briefe, die sich wohl im wesentlichen als Handels- und Geschäftsbriefe bezeichnen lassen, viele Personalnotizen. Auf die ersteren wird es hauptsächlich angekommen sein, die letzteren befinden sich meist gegen Schluß der Schreiben. Wahrscheinlich, wenn der Schreiber noch auf dem Papier Platz hatte oder die Zeit nicht zum Ende drängte, werden persönliche Beziehungen berührt. Die Politik wird selten in den Bereich der Auseinandersetzungen gezogen. Die Männer, die in diesen Briefen miteinander verkehren, waren offenbar einfache Kaufleute, die unbekümmert um den hohen Flug der Gedanken der Leiter dieser Politik oder um den Wettbewerb der Städte um die Hegemonie im Hansebunde, hauptsächlich ihre persönlichen Interessen wahrzunehmen sich bemühten. Nur gelegentlich stößt eine Mitteilung auf, daß Feindseligkeiten bevorständen, daß es dort oder hier gäre und unruhig werde, daß der Krieg den Geschäften verhängnisvoll werde. Weitere Betrachtungen werden an solche Mitteilungen nicht geknüpft. Auch Bemerkungen über die Heilsamkeit dieser oder jener handelspolitischen Maßregel, etwa eines neuen Zolls, einer veränderten Münze, oder über das entgegenkommende Verhalten eines Landesherrn sucht man vergeblich in diesen in der Regel kurz gehaltenen Briefen. Man lebt in den schnell aufeinander folgenden Ereignissen, die man indes häufig spät erfährt, deren soweit Herr zu werden, um vorteilhaft einkaufen und mit dem wünschenswerten Gewinn wieder verkaufen zu können, die größte Mühe bereitet.

Bei dem langsamen Nachrichtenverkehr, der überdies vermutlich viele Briefe verloren gehen ließ, wird oft ein Ereignis erst in Erfahrung gebracht, wenn es seine handelspolitische Bedeutung beinahe eingebüßt hat. Und so benutzen die Handelsherren jener Tage ihre ihnen in der Regel kurz zugemessene Zeit dazu, dieselben Nachrichten in mehrfachen Briefen an einen Geschäftsfreund zu wiederholen, die dann verschiedenen Schiffern oder Läufern gleichzeitig zur Besorgung anvertraut wurden, statt sich in weitläuftige Reflexionen einzulassen.

Bei alledem ist es erstaunlich, wie gut man in den Städten über die gegenseitigen Handelsverhältnisse unterrichtet war, nicht nur in den rheinischen oder westfälischen Städten über die Zustände in Lübeck oder Augsburg, sondern auch über die Lage im Auslande, in Brügge oder gar jenseits der Alpen, in Venedig. Beständig eilten die Läufer zwischen den einzelnen Städten hin und her und obgleich es ein gutes Stück Geld gekostet haben mag, diesen Verkehr zu pflegen, so scheint hierbei nicht gespart worden zu sein. Abgesehen von der Wichtigkeit der Nachrichten selbst war es auch ein Ehrenpunkt für die Kaufleute, recht häufig Briefe zu empfangen, wodurch das Ansehen stieg. Wer an vielen Orten Verbindungen hatte, galt als ein angesehener Mann. Sivert rühmt sich, in Köln viele Briefe aus Venedig und Augsburg erhalten zu haben, und mahnt seinen Bruder in Brügge, mit Briefen an einen Geschäftsfreund in Venedig nicht karg zu sein. Mit allen

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: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_XVI.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)