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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

diejenige Geltung zu erlangen, die man glaubte beanspruchen zu dürfen. So waren in Lübeck in den Jahren 1376 und 1380 Aufstände ausgebrochen, im Jahre 1384 der sogenannte Knochenhauer-Aufruhr, zu dessen Anstiftern mehrere Schlachter gehörten. Aber ohne sichtbaren Schaden für die Stadt waren diese Unruhen schnell wieder unterdrückt worden.

Im Jahre 1403 entstanden dann für den Rat finanzielle Schwierigkeiten. Es waren Schulden gemacht worden und zur Deckung der Fehlbeträge Vorschläge zur Vermehrung der städtischen Einkünfte laut geworden. Man trug sich mit dem Gedanken an die Einführung einer Abgabe von Eßwaren und einer neuen Biersteuer, erregte jedoch einen Sturm von Unwillen unter den Gewerbetreibenden mit diesen Plänen. Um sich deren Wünschen entgegenkommend zu zeigen, willigte der Rat zu Michaelis 1405 in die Ernennung eines Ausschusses von 60 Bürgern, der in den Stand der finanziellen Angelegenheiten genaueren Einblick nehmen sollte. Hatte der Rat gehofft, sich mit diesem Ausschuß leichter über das, was geschehen sollte, zu verständigen, als mit der Bürgerschaft, so wurde er seinen Irrtum bald gewahr. Der Ausschuß benutzte seine selbständige Stellung dazu, eine lange Reihe von Beschwerden über die Verwaltung, beinahe hundert Artikel, aufzusetzen. Man klagte über die Höhe der Brot- und Biertaxe, über die Vor- und Aufkäuferei, über die Eingriffe der Kaufleute in die gewerblichen Rechte der Handwerker u. a. m. Infolge dieses Vorgehens mußte der Rat es sich gefallen lassen, daß man in die einzelnen Verwaltungszweige Bürger als Beisitzer der Ratsherren wählte. Dabei ließ man es indes nicht bewenden. Man forderte auch das Recht zur Teilnahme an der Ratswahl. Ein neuer Rat von 24 Personen sollte gewählt und der alte nur noch in einigen wichtigen Dingen befragt werden. Längere Zeit verstrich, ohne daß man sich zu einigen vermochte. Man hielt stürmische Versammlungen ab und es kam so weit, daß, nachdem im Januar 1408 einige Ratsherren in aller Stille die Stadt verlassen hatten, die Bürgerschaft die ihr bisher verweigerte Beteiligung an der Ratswahl ertrotzte. Die Folge davon war, daß der größere Teil der Ratsmitglieder freiwillig Lübeck verließ und nur sieben zurückblieben, die die Erklärung abgaben, daß sie allein die Herrschaft nicht führen könnten. Daher trat ein neuer Rat von 24 Personen, zur Hälfte aus Kaufleuten, zur Hälfte aus Gewerbetreibenden bestehend, an die Stelle des alten[1].

Zu denen, die mit dieser Wendung der Dinge keineswegs zufrieden waren, gehörte Sivert Veckinchusen. Nach allem, was wir über ihn wissen, konnte er für den neuen Rat schwerlich Sympathie hegen. Allerdings hatte er sich ja früher bereit finden lassen, ihm angetragene städtische Vertrauensposten zu übernehmen, vielleicht in der Absicht, da er augenscheinlich dem alten System zugetan war, versöhnlich zu wirken. Als jetzt der Zwiespalt immer größer wurde, hielt er es für geboten, Farbe zu bekennen, und den Aufrührern entgegenzutreten. Im April 1409 ist er in Köln, vom 20. März 1410 ist ein kurzes Schreiben an den Bruder Hildebrand aus Frankfurt a. M.

  1. C. Wehrmann, Der Aufstand in Lübeck 1408—1416 in Hans. Geschbl. 1878 S. 103—158.
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: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite XLVII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_XLVII.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)