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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

Daß er unterliegen mußte, fallen im unrühmlichen Kampfe gegen die gemeine Not des täglichen Lebens, sichert ihm unser Mitgefühl auch noch 500 Jahre nach seinem Tode. Viele derartige Männer, die so wie er die Bezeichnung eines Großkaufmanns verdienen, wird die Hanse schwerlich hervorgebracht haben.


4. Sivert Veckinchusen.

Unter den Korrespondenten des Hildebrand Veckinchusen ragt sein Bruder Sivert hervor. Von ihm allein rühren mehr als hundert Briefe, die er in den Jahren 1410—1425 verfaßt hat, wohl alle selbst geschrieben, da in allen die gleiche Hand wiederkehrt. In der Hauptsache sind auch seine Schreiben Geschäftsbriefe, die über den Empfang und die Absendung von Waren, ihre Preise, den mehr oder weniger günstigen Absatz und dergleichen mehr berichten. In sehr ausführlicher Weise legt er Rechenschaft ab über den Stand der gemeinsam mit dem Bruder oder mit anderen in Angriff genommenen und durchgeführten Geschäfte, bespricht die Marktverhältnisse, erörtert die Konjunkturen, die hier zum Versuche mit einem Artikel raten, dort von ihm absehen lassen. Die Politik wird nur gestreift. Sofern Kriegsunruhen die an und für sich geringe Sicherheit der Land- und Seestraßen noch mehr zu beeinträchtigen drohen, oder sofern, wie es in Lübeck 1409—16 der Fall war, der Wechsel im Stadtregiment den gedeihlichen Fortgang des Handels hemmte, ist die allgemeine Lage berührt. Betrachtungen über die Heilsamkeit dieser oder jener handelspolitischen Maßregel, eines neuen Zolls, einer veränderten Münze sind selten. Übrigens enthalten Siverts Briefe nicht nur Handelsnachrichten. Die Vorkommnisse im Verwandten- und Freundes-Kreise, die Gesundheit der Angehörigen, eine Verlobung, ein ungeratener Sohn bieten Stoff zu Mitteilungen, wenngleich diese an Raum hinter den anderen weit zurückstehen. Ausführlich wird er in diesen Privaterlebnissen nur einmal, als er eine zweite Ehe eingehen will und in einer vertraulichen Auseinandersetzung, deren Geheimhaltung er dem Bruder dringend ans Herz legt, die ihm vorgeschlagenen Bräute Revue passieren läßt. Vermögen und einflußreiche Verwandtschaft geben bei der Wahl den Ausschlag[1].

Sivert Veckinchusen macht zuerst im Jahre 1395 von sich reden. Er erscheint in Brügge als Miteigentümer derjenigen Baulichkeiten, die später in den Besitz der Hanseaten übergingen und an deren Stelle um die Mitte des 15. Jahrhunderts das Osterlingehaus errichtet wurde[2]. Es handelte sich um drei Häuser, die von Joris van Rüssel gekauft worden waren im Kurzen Ghenthof bei der St. Gillisbrücke, von deren Wert der vierte Teil auf seinen Namen eingetragen war. Er übertrug nun seinen Anteil auf die Gesellschaft des Johannes van dem Broke und Heinrich Rathaus[3]. Indes war damit keineswegs sein Fortgang aus Brügge verbunden. Vielmehr ist er auch noch vier Jahre später, im Jahre 1399, in dieser Stadt nachweisbar

  1. nr. 194.
  2. nr. 2.
  3. R. Häpke, D. deutsche Kaufmann in d. Niederlanden 1911 S. 35.
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: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite XLII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_XLII.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)