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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

in dem er sich bitter beschwert, daß Sivert nie seine Bereitwilligkeit, der Schwägerin in der Zeit der Abwesenheit ihres Mannes mit Rat und Tat beistehen zu wollen, zum Ausdruck gebracht hätte. „Dat dunket my krancke broderschap sin, wel hey nicht anders don, dan hey noch ghedan hevet, so salt 1 dont werden, dat nicht gud sal sin, wante ick hebbe emen so velle segnet unde to kene gheven unde beden, al dat ick ghedan hebbe unde doy in den stucken …“ Gleichzeitig ist er bei allem Zorn ängstlich darauf bedacht, daß nichts von diesem Zwiste an die Öffentlichkeit dringt. Frau und Tochter werden beschworen, niemandem ein Sterbenswörtchen davon zu sagen. „Wat solden dey lude seggen, sind dey 2 broder es nicht eins, dat solde den enen leyf sin, den anderen leyt“[1]. Einige Monate später, als unterdessen Sivert in Lübeck wieder eingetroffen war, drückt Hildebrand seine Genugtuung darüber aus und hofft, daß seine Frau immerhin einigen Trost durch seine Anwesenheit haben würde. „Vorsuckest wat troestest du an emen maghest hebben, dat scryf my, darna mach ick my rychten unde du mede“[2]. Sehr hoffnungsvoll auf die brüderliche Liebe klingt das nicht, so wenig wie die Annahme, daß Sivert wegen angeblich kranker Augen ihm aus Lübeck noch nicht geschrieben hätte. „God beter sin oghen“, fügt er zweifelnd hinzu, „op dat hey ju in den saken do so seck dat ghebort“[3].

Dem gegenüber klagt Sivert über den Leichtsinn und die geringe Geschäftskenntnis oder Unvorsichtigkeit des Bruders, die ihn sich in Geschäfte verwickeln ließ, aus denen er später sich ohne Schaden nicht herauszufinden vermochte. Ohne Unterlaß wird er nicht müde zu behaupten, daß er außerstande sich sehe zu helfen. Schon Frau Elisabeth nahm 1414 dem Schwager gegenüber diesen Standpunkt ein. „Oc so wetet, dat is Syvert nicht bet in konde, wente wy syn hyr alto vele geltz schuldych“[4]. Sivert aber läßt sich vier Jahre später strafend dem Bruder gegenüber vernehmen: „ic hebbe ju lange beden, dat gy ju nicht to hoge beslogen unde were my ok gud ghewesen unde ic hebbe ju er seget, dat es beter eyn beholden dan 2 vordorven“[5]. Und im November 1418 hält er dem Bruder vor, daß dieser ihn bedrohe, weil er nicht nach seinen Wünschen sich richte. Aber meint Sivert: „Got weyt wol, dat ic mer ghedaen hebbe dan ic wol vormach, men dat es ju al nicht wol dank, Got betert al umme to ewycheyt“[6]. Also auch Undankbarkeit wirft er dem Bruder vor, der nicht genug Anerkennung für alle Opfer gezeigt haben soll, die Sivert gebracht haben will.

Wie soll man unter diesen Umständen das Richtige herausfinden? Auf mich machen die Hildebrandschen Briefe den Eindruck der größten Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit. Es wird ihm ernst gewesen sein, wenn er in einem nicht erhaltenen Briefe, auf den sein Freund Tideman Brekelvelde anspielt[7], beteuert, er wolle alle seine Schulden bezahlen und dann meinetwegen mit Frau und Kindern betteln gehen, nur um die Ehrlichkeit seines Namens zu retten und auf sich und sein redliches Wollen keinen Schatten geworfen zu sehen. Der Empfänger des Schreibens hat keinen Zweifel daran geäußert, daß Hildebrand es mit solchen Auslassungen ehrlich meinte, denn

  1. nr. 251.
  2. nr. 306.
  3. nr. 319 S. 338.
  4. nr. 98.
  5. nr. 180.
  6. nr. 193.
  7. nr. 293.
Empfohlene Zitierweise:
: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite LV. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_LV.jpg&oldid=- (Version vom 23.12.2019)