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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

vorliegenden Briefen auf jenes Geschäft, auf das indes hier nicht noch einmal eingegangen werden kann[1].

Der ungünstige Verlauf des venetianischen Handels brachte unangenehme pekuniäre Verlegenheiten. Die Lage verschlimmerte sich, als Heinrich Slyper, der mit den Waren umherzog, von Raubrittern, den Grafen von Segenhagen, überfallen, um 1700 Rhein. Gulden erleichtert und außerdem gefangen gesetzt wurde. Dazu kam, daß auf dem vermutlich zeitweilig überfüllten Markte die Waren nicht recht von der Hand wollten. Reis fand auf der Frankfurter Messe keine Abnehmer. Seide war nicht verkäuflich, Pelzwerk sank im Preise, Stockfisch ließ sich weder in Köln noch in Straßburg absetzen. Seine ausstehenden Guthaben gingen nicht ein. Nicht einmal soviel konnte er bekommen, schreibt er aus Lüneburg am 19. April 1413, als er unterwegs verzehrt[2]. Beständig unterwegs — im Jahre 1411 war er nicht 16 Wochen in seinem Heim — stürzt er sich aus einer Verbindlichkeit in die andere. Zur Frühjahrsmesse 1411 braucht Sivert einen erheblichen Betrag, und weiß nicht, wie er ihn beschaffen soll. Im Juli 1412 ist er in Augsburg in solcher Not, daß er einen Eilboten um Geld nach Brügge schickt, da er Gefahr läuft, sonst mit Schaden die Stadt verlassen zu müssen. Als er 1414 von Köln nach Speier reisen muß, sieht er sich genötigt, von einem Lombarden hundert Gulden zu leihen. Da wird es verständlich, daß er in einem seiner Briefe aufseufzt: „Ic was myn levedage ny also hoge bedrenget umme gelt … Got helpe uns al umme ut aller noet“[3].

In aller dieser Bedrängnis büßt er seine kaufmännische Kaltblütigkeit gleichwohl keinen Augenblick ein. Aufmerksam verfolgt er den Wechsel des Marktes. Keine Konjunktur, bei der sich eine Aussicht eröffnet, etwas verdienen zu können, entgeht ihm. Im Juli 1410 kauft man in Brügge Pelzwerk billig ein, vielleicht weil größere Sendungen aus Livland eingetroffen waren. Daher ermahnt er den Bruder zu schleunigem Ankaufe. Stets ist er darauf bedacht, in Livland ihre Geschäfte mit der gehörigen Sorgfalt zu pflegen. Sogar auf Gegenden, mit denen er sonst nachweislich in keinem Verkehre stand, richtet sich sein Sinn. Wie er denn im Januar 1411 dem Bruder meldet, daß man eben in Breslau große Gewinne realisieren könne. Diese Besonnenheit ist um so mehr anzuerkennen, als zu dem geschäftlichen Mißgeschick sich häusliches Leid gesellt. Seine Frau erkrankt und stirbt nach mehrmonatlichem Krankenlager, obwohl er es an bester Pflege nicht fehlen ließ. Etwas sonderbar für unsere heutige Anschauung nimmt sich dabei die Bemerkung aus „kostete grot gud und helpet cleyne“. Die erste Nachricht, daß die Gesundheit seiner Frau zu wünschen übrig ließ, stammt vom 4. Juli 1418. Sivert sprach seinem Bruder die Hoffnung aus, daß sie wieder so kräftig werden möge als sie früher in Lübeck war. Die Bestellung der Äpfel und Apfelsinen geschah wohl bereits seiner Frau zuliebe[4]. Schon 4 Wochen später meldet er: „ic vruochte Lysekens crancheyt welle

  1. Hans.-Venetianische Handelsbeziehungen im 15. Jahrhundert. Festschrift der Landesuniversität Rostock zur zweiten Säkularfeier der Universität Halle a. S. 1894.
  2. Hans.-Venet. Handelsbez. S. 145 Nr. 22.
  3. nr. 191.
  4. nr. 184.
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: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite LI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_LI.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)