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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

seien nicht drückend. Er berechnet, daß ein Einzelner zu seinem Lebensunterhalte nicht mehr als 200 Gulden jährlich brauche, ja, daß viele sogar mit 150 Gulden auskämen, freilich „sunder cledynge und grote gasteryge“. Dann kommt ihm wieder die Erkenntnis, daß nur für denjenigen der Aufenthalt in Köln behaglich wäre, der die nötigen Beziehungen hätte und über ausreichende Einkünfte verfügte. „Dat were hyr gud wonen“ heißt es in einem Briefe vom 16. Januar 1411 an den Bruder Hildebrand, „dey hyr nerynge kunde dat men syk mede bergen mochte, dat es hyr kostlyc und wy weten hyr neyne nerynge. Met cleynen gelde kan men syk hyr ovele bergen[1].“ Dabei die heimliche Sehnsucht nach dem aufgegebenen Lübeck, von dem er annimmt, daß es nur langsam wieder die gleichen Annehmlichkeiten zum Aufenthalte bieten werde wie in früheren Zeiten. „Ic vruochte dat wy lancsam to Lubeke weder met soller vromede wonen komen to Lubeke also dat vor wesen es“[2].

Wenn er trotzdem fast anderthalb Jahre verstreichen ließ, ehe er sich um das Bürgerrecht in Köln bewarb, so geschah dies vielleicht teils deshalb, um die Verhältnisse genauer kennen zu lernen, teils weil er die stille Hoffnung hegte, die Lübecker Angelegenheiten in ein ruhigeres Fahrwasser einlenken zu sehen. In der Mitte des Jahres 1411 ist er indes der Zwitterstellung müde und erwirbt das Bürgerrecht in Köln. Damit macht der tatkräftige Mann, der seine Zeit nicht in unnützen Klagen zu vergeuden gesonnen war, zugleich Pläne für die Zukunft. Von Köln aus mußten andere Handelswege eingeschlagen werden, als sie von Lübeck aus sich empfahlen. Es wurde schon hervorgehoben, daß er für den Fall seines dauernden Verbleibens in Köln sich dem italienischen Handel zuzuwenden gedachte. „Est dat ic hyr blyven wonen, so meyne ic myn handelynge mest in dessen landen to hebben und to Venedyen ward und van som selscop to scheden by der see, wand men vynd neyne truewe gheselscop wan eyn man dar nicht sulven vor ogen wesen mach“, so schrieb er am 10. August 1411 seinem Bruder Hildebrand[3]. In der Folge gedachte er nunmehr den Handel den Rhein aufwärts nach Mainz, Speier, Konstanz bis nach Frankfurt a. M. und Augsburg zu betreiben. Flandern wird dabei festgehalten. Der Weg von Mecheln nach Straßburg sei ein gefahrloser, auf dem viel Verkehr stattfinde. Weiter bleibt sein Augenmerk namentlich auf den Handel nach Venedig gerichtet. Eine Zeitlang ist dieser seine ganze Hoffnung. Alles Geld, das er in den livländischen und preußischen Unternehmungen stecken hat, beabsichtigt er herauszuziehen und mit diesen Beträgen, sowie den aus dem Lübecker Guthaben zu rettenden Resten den Handel nach Venedig mit allen Kräften aufzunehmen.

Wann dieser Handel nach Venedig begonnen hat, ihn in Anspruch zu nehmen, mag auf sich beruhen bleiben. Die Schicksale der Gesellschaft, an der er mit Hildebrand und anderen Kaufleuten beteiligt war, ist an anderer Stelle erzählt worden. Manches Licht fällt immerhin auch aus den

  1. nr. 50.
  2. nr. 48, 50 S. 64.
  3. nr. 59 S. 74.
Empfohlene Zitierweise:
: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite L. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_L.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)