Seite:Briefe an Matthias Mulich.pdf/3

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

in ihnen unverständlich bleiben, weil es sich auf Dinge bezieht, die nur dem Schreiber und dem Empfänger des Briefes bekannt sind. Aber das ist doch nur Einzelnes, im Allgemeinen construiren die Verhältnisse sich leicht aus den angeführten Thatsachen. Eine größere Schwierigkeit ergiebt sich für das Verständniß der hier vorliegenden Briefe aus ihrer Handschrift und ihrer Sprache, die sowohl hinsichtlich der Orthographie als hinsichtlich der Satzbildung gänzlich regellos ist. Diese Schwierigkeiten haben sich zwar größtentheils, doch nicht gänzlich überwinden lassen.

Ein erhöhtes Interesse gewinnen Briefe immer, wenn sie in einer Zeit geschrieben sind, in welcher große, das ganze Leben bewegende und ergreifende Ereignisse vorgehen, nicht blos weil sie dann eine Menge von characteristischen Einzelheiten enthalten, die der Geschichtschreiber kaum Gelegenheit findet zu erwähnen, die nicht einmal zu seiner Kunde gelangen, sondern auch, weil sie allgemeine, sachliche Begebenheiten unter dem Gesichtspunkte persönlicher Verhältnisse auffassen und sie uns dadurch gewissermaßen näher bringen. Es war aber das Jahr 1523 ein Wendepunkt in der nordischen Geschichte und, da Lübeck sowohl zu Dänemark als zu Schweden in vielfachen commerciellen und politischen Beziehungen stand, auch für die Geschichte dieser Stadt ungemein wichtig. Es wird nöthig sein, die damalige politische Situation kurz zu bezeichnen.

Christian II., seit 1513 König von Dänemark, hatte mit der Dänischen Krone zugleich Ansprüche auf die Herrschaft in Norwegen und Schweden überkommen, denn die drei Länder waren seit 1397 durch die Calmarsche Union zu Einem Staate verbunden. Aber die Union stand, was Schweden betrifft, nur auf dem Papier, die Dänischen Könige hatten sie nur, so lange und so weit sie es durch Waffengewalt vermochten, aufrecht halten können. Zur Zeit der Thronbesteigung Christian’s führte ein Mann, Namens Sture, unter dem Titel eines Reichsverwesers die Regierung. Christian machte zuerst 1518 einen Versuch, Schweden zu erobern, jedoch ohne Erfolg. Sein Landheer wurde geschlagen und seine Flotte erreichte den Zweck, Stockholm von der Seeseite zu erobern, ebenfalls nicht. Auf der Flotte befand er sich selbst. Er knüpfte nun Unterhandlungen an und erbot sich, selbst ans Land zu kommen, wenn die Schweden ihm, als Bürgschaft für seine persönliche Sicherheit, Geißeln auf seine Schiffe senden wollten. Aber als er diese an Bord hatte, ging er nicht ans Land, sondern führte die Geißeln, vornehme Schweden,


Empfohlene Zitierweise:
Carl Friedrich Wehrmann (Hrsg.): Briefe an Matthias Mulich, geschrieben im Jahre 1523. In: ZVLGA 2, 1867, S. 296–347. Friedrich Asschenfeldt, Lübeck 1867, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefe_an_Matthias_Mulich.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)