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Vom Morgen zu unserem Abend schritten wir nur auf Pfaden künftiger Zeiten:
Wenn wir am nächsten den Brüdern schienen, entfernten wir uns am meisten;
Ärmste, aus kostbaren Lichtern, Marmor, geheimnisbergenden Erzen,
Zu des Ewigen Ehre bauten wir Dome, gaben zurück die Schönheit dem Worte,

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     Und demütig, namens deiner mystischen Macht, herrschten wir über den Seelen.


Und obgleich in ungezählten Leben wir lebten, in der Glut aller Blüten blühten,
Mit der Sonne unserer Liebe hoben wie eine Wolke das Weltall in azurne Träume,
Zu den Tieren im Joche uns neigten, wie zu Brüdern unsrer Verwünschung,
Aller Empfängnisse Schauer fühlten und in den Schoßen das schmerzliche Regen des Ungeborenen

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     Und in unserem Herzen das Feuer aller Herzen, - blieben wir einsam ...


Nur Tote und aus kommenden Tagen winkende Brüder
Erwiderten freudig die Botschaft unsrer Verheißung;
Am Anblick unseres dürstenden Wollens, wie von Gluten des Mittags entkräftet,
Verstummten, erblassend unsere teuersten Freunde und unsere zärtlichsten Blicke

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     Empfingen sie nur mit Furcht wie Küsse gefährlich Erkrankter.


Heimlich hießen sie uns Verräter der Erde, wenn wir den Ruhm ihrer Sendung,
Der Ewigkeit morgendlich Feuer auf Knie’n in Verzückung begrüßten,
Wenn wir vom Weibe, der neuen Liebe Königin, hellsehend träumten,
Vom Manne, dem liebreichen Hüter der Elemente, dem Fürsten mystischer Kräfte,

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     Der einst bändigt den Schmerz, verwandelt in Flammen der erhabensten Sehnsucht.


Von aller Millionen Verfließen in den einen Erlösten, den einzigen Menschen,
Den Steuermann geistiger Erde, der zu den Küsten deiner Geheimnisse steuert,
Gehorchend deinen heiligen Winden, hißt seine Segel, von Äonen gesponnen,
Und mit neuer Sprache, mächtig wie Sprache der Engel, rein wie die Sprache der Kinder,

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     Deiner verborgenen Gärten Blüten benennt.


Aber nicht einmal in den strahlenden Nebelgestirnen fernster Schöpfung
Fanden wir Frieden, beneideten Tote um ihre stumme Erleuchtung;
Über allen Stätten der Schönheit, wohin unsere Blicke erobernd drangen,
Als Wahrzeichen deiner selbstherrlichen Macht im unendlichen Raume,

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     Dunkeln vor uns dräuend, von höhern Wesen bewacht, Zidatellen.
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Otokar Březina: Hände. Moriz Frisch, Wien 1908, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BrezinaH%C3%A4nde52.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)