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Glatz.

Diese Stadt liget 21. Meilen von Prag / und 18. von Olmütz an der Neisse / so in der Grafschafft Glatz entspringet / welche zwar dem Königreich Böheim besonders einverleibt / daher sie auch von uns hieher gesetzt wird / ligt aber an den Gräntzen deß Böhmer-Lands / nemlich an den Montibus Sudetis, und machet mit dem Lande herum ein besondere Grafschafft; welche gegen Abend an Böheim / gegen Mittag an Mähren / und gegen Morgen und Mitternacht an Schlesien stösset / und gleichsam mitten zwischen diesen Ländern ligen thut. Die Marsigni haben vorzeiten hierum gewohnet / als damalen diese Stadt Luca geheissen haben solle. Nachdem aber / bey Regierung Käiser Heinrichs deß Ersten / die Ungarn herumb geschlagen worden / und der Käiser ihrer Obersten einen / Glozar genant / an einen Baum hencken lassen / so soll von ihm dieser Ort / so selbiger Zeit noch ein Marcktflecken / und heydnisch gewesen / Glotz seyn genant / derselbige zur Stadt gemacht / und zum Christlichen Glauben gebracht worden seyn. Es wollen gleichwol andere den Namen à glacie, vom Eiß / und glatt seyn / herführen; weilen es im Winter / indem die Stadt sehr bergicht ligt / da gar glatt und gefährlich zu gehen ist. Andere bringen den Namen her à Calvitie, vom Glatz / weilen sie zwischen Bergen und Wald gelegen / sonderlich weil der Berg hinder dem alten Schloß / ein kaler Platz solle gewesen seyn. Etliche wollen / der Name komme her von den Galatis: Etliche schreiben darfür Klotz / weilen an dem Ort / wo jetzt die Stadt stehet / ein lauter Wald gewesen; und man bey der Außreutung / mitten auff dem Marckt / einen grossen eichen Klotz oder Stamm stehen lassen / dabey die Leute feil gehabt. Und diese Herführung deß Namens gefällt dem M. Georgio Aelurio, oder Katschker / in seiner Anno 1625. in den Druck gegebenen Glatzischen Chronick / am besten; wie dann dieses Wahrzeichen auch unter dem Böhmischen Thor / und am Rahthauß zu Glatz / zu sehen. Melchior Goldastus, in seinem Buch von dem Königreich Böheim / schreibet / lib. 1. cap. 15. daß Glatz von den Polen Closcum, von den Böheim Gloczium, und von andern Slaven / oder Wenden / Cozlium, genant werde. Sie wolle eine auß denen / dem Königreich Böheim incorporirten Provintzen / so ihr besonders Recht / und Freyheit / haben / seyn: wie sie dann ihren eigenen Königlichen Hauptmann / wie andere einverleibte Länder / hat. Und sagen die Glazianer / daß diese Grafschafft / vorzeiten unter dem H. Römischen Reich Teutscher Nation ohnmittelbar gewesen / und erst / nach Abgang deß Gräflichen Geschlechts / an die Hertzogen und Könige in Böheim / auß Begnadigung der Teutschen Käyser / oder Könige / von denen es zu Lehen gehe / kommen: Es seye in dem gantzen Königreich Böheim kein andere Herrschafft / welche Grafen Titul / und Würde / ausser dieser Grafschafft Glatz / habe. Dann die Egrische / Elnbogische / und Passaunische der Herren Schlicken (so von Käyser Sigismund auff dem Reichstag zu Costantz uffgericht) ausser Böheim / uffm Teutschen Boden / gelegen seyen. Das Fürstenthum Rosenberg war von Käiser Rudolpho II. nur auff die Person gewidmet / und ist mit der Person außgestorben / und niemals in die Landtafel gebracht worden; weilen die Böhmen damaln in ihrem Königreich über den Freyherrn-Stande / keinen höhern erkanten / noch ihnen vom Käiser / oder ihrem König / aufftringen liessen; welches vor Jahren der Burggraff zu Meissen / Graf auff Hartenstein / und neulich Sigismund Bathori / und obgedachter von Rosenberg / erfahren haben. Obgemeldter Aelurius sagt / als Glatz eine ziemlich Zeit unter dem Römischen Reich gewesen / so hätten folgends diese Stadt / sampt dem Ländlein / die Polen zu sich gerissen / denen es die Böhmen wieder abgenommen / wie sie dann den Böhmen allbereit in den Jahren 1074. und 1114. zugehört habe. Nachmals kame solche Grafschafft an die Schlesische Hertzogen / bald wieder an Böheim / und dann wieder an Schlesien / biß zun Zeiten Käiser Carls deß Vierten / sie wieder an Böheim gelangt / und bey solcher Cron / biß auff König Georgen / blieben / welcher die

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Matthäus Merian: Topographia Bohemiae, Moraviae et Silesiae. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1650, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bohemiae_Moraviae_et_Silesiae_(Merian)_058.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)