Seite:Bildnis einer Römerin 16.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Emil Hübner: Bildnis einer Römerin, Marmorbüste des Britischen Museums (die sogenannte Clytia)

angebracht. Die bekanntesten Beispiele bieten die Friese vom Forum des Traian, auf denen in mannigfachen Variationen Eroten von den Lenden an in die Pflanzenornamente übergehen[1]. Hin und wieder kommen dergleichen Gestalten auch rund gearbeitet vor, z. B. als Ornament an Erzgeräthen[2]. Auch die hiesige Sammlung besitzt ähnliche Stücke; so die kleine am Henkelschluss eines Erzgefäßes aus einen Kelch hervorwachsende weibliche Büste von sehr roher Arbeit[3], abgebildet auf Taf. III Fig. 3. Im brittischen Museum befindet sich nach Murray’s Mittheilung ein aus der Sammlung Blacas stammender kleiner Silen, von den Knieen aufwärts aus einer Blüthe hervorkommend; er trägt ein Pedum auf der rechten und einen Weinschlauch auf der linken Schulter. Andere Sammlungen werden ähnliche Stücke aufzuweisen haben.

In ganz entsprechender Weise ist ferner das Obertheil menschlicher Gestalten und besonders häufig dasjenige von Thieren in ein Ornament oder in einen Thierfuß auslaufend als Fuß verwendet worden. Das älteste Beispiel hierfür bietet, wie es scheint, die bekannte Dresdener Dreifußbasis, deren drei Füße jedes Mal der Oberleib geflügelter, in Ornamente auslaufender Satyrn bildet[4]. Durchaus ähnlich ist der kleine 1¼ Zoll hohe Bronzefuß des hiesigen Museums[5], der auf Taf. III Fig. 2 zum ersten Mal nach dem Original abgebildet worden ist. Sphinxe, Löwen und Greifen in ähnlicher Verwendung sind häufig; es genügt dafür auf die in Abgüssen im hiesigen Museum befindlichen Exemplare zu verweisen[6].

Bei dieser Art von Verbindung menschlicher oder thierischer Leiber mit dem Blätterornament ist aber ein Umstand charakteristisch, auf welchen, soviel ich sehe, noch nicht gehörig geachtet worden ist; der nämlich, dass die Blätter stets mit ihren Spitzen von dem Menschen- oder Thierleib abwärts oder auch seitwärts


  1. Zwei dieser Friesfragmente befinden sich im lateranensischen Museum, während andere an verschiedene Orte gelangt sind; Benndorf und Schöne S. 38 Nr. 59. 68 haben zu ihrer Erklärung alles nöthige beigebracht und die wichtigsten Beispiele ähnlicher Art gesammelt. Hinzufügen kann ich die in Verzierungen auslaufenden Genien auf einem Gefäß von rothem Thon, wahrscheinlich aus Aricia, in der Sammlung Despuig auf Palma, in meinen antiken Bildwerken in Madrid u. s. w. S. 309 Nr. 818.
  2. Wie an der bei Piranesi Vasi e Candelabri Bd. 1 Taf. 10 und besser in den Specimens of ancient Sculpture I Taf. 50 — denn dieß ist offenbar dasselbe Werk — abgebildeten Bronzelampe.
  3. Friederichs 2 S. 353 Nr. 1631.
  4. Abgebildet in W. G. Beckers Augusteum Taf. 5. 6. 7; in Hettners Verzeichniss (die Bildwerke der Königlichen Antikensammlung zu Dresden) Nr. 201; der Abguss in Berlin in Böttichers Catalog Nr. 1276, vgl. auch dessen Programm zum achtzehnten Winckelmannsfest, das Grab der Dionysos an der Marmorbasis zu Dresden, Berlin 1858.
  5. Friederichs Berlins antike Bildwerke 2 S. 420 Nr. 1966.
  6. Friederichs Berlins antike Bildwerke 1 S. 543 Nr. 954 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Emil Hübner: Bildnis einer Römerin, Marmorbüste des Britischen Museums (die sogenannte Clytia). Berlin: W. Hertz, 1873, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bildnis_einer_R%C3%B6merin_16.jpg&oldid=- (Version vom 23.12.2022)