Johann Gottfried Pahl: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter | |
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aber ich kann nicht. Gelübde zu brechen, steht nicht in Menschen Macht.“
Ich schwankte durchs Thor hinein, und warf mich in meiner Kammer auf mein Lager hin. Was das für eine Nacht war, Mechthilde! und – ach! wie viel solcher Nächte werd ich noch durchweinen müssen?
Mein Geblüt war in der grösten Empörung, und keinen Augenblik fand ich Rast. Stets stand Kunzens Bild vor mir, in seinem ganzen Reize, und bot mir die Hand, ihm zu folgen. All’ die Wonne, die ich mir an seiner Seite geträumt hatte, stellte sich mir im höchsten Glanze dar, und meine ganze Seele hieng sich fest daran; aber plötzlich fiel mir’s wieder Zentner schwer aufs Herz, daß Kunz und all’ jene Wonne, die mir in ihm bereitet war, für mich verschwunden sey. O! dann wälzte und krümmte ich mich auf meinem Lager, wie ein getrettener Wurm, und girrte und schluchzte überlaut, daß es der Wächter auf die Warte hinunter hören konnte. Lange wog ich den Gedanken zu entfliehen,
Johann Gottfried Pahl: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Karl Gottlob Beck, Nördlingen 1794, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Woellstein.djvu/47&oldid=- (Version vom 31.7.2018)