gegen das allgemein Geltende sich aufzulehnen und Ideen zu vertreten, so lange dieselben noch in jenem Stadium sind, wo sie – wenn nicht als umstürzlerisch verdammt – so doch als phantastisch verlacht werden.
„Ich kann Ihnen heute eine interessante Nachricht mitteilen, lieber Tilling,“ sagte der Minister eines Nachmittags mit wichtiger Miene. „Man geht in Regierungskreisen, das heißt im Kriegsministerum, mit der Idee um, auch bei uns die allgemeine Wehrpflicht einzuführen.“
„Wie? Dasselbe System, welches vor dem Krieg bei uns so allgemein geschmäht und verspottet wurde? „Bewaffnete Schneidergesellen“ und so weiter?“ …
„Allerdings hatten wir vor kurzer Zeit ein Vorurteil dagegen – aber es hat sich bei den Preußen doch bewährt, das müssen Sie zugestehen. Und eigentlich – vom moralischen Standpunkt – selbst vom demokratischen und liberalen Standpunkt, für welchen Sie ja mitunter zu schwärmen scheinen – ist es doch eine gerechte und erhebende Sache, wenn jeder Sohn des Vaterlandes, ohne Rücksicht auf Stand und Bildungsstufe, die gleichen Pflichten zu erfüllen hat. Und vom strategischen Standpunkt: hätte das kleine Preußen jemals siegen können, wenn es die Landwehr nicht gehabt hätte – und wäre diese bei uns schon eingeführt gewesen, wären wir jemals besiegt worden?“
„Das heißt also, wenn wir ein größeres Material gehabt hätten, so hätte dem Feinde das seine nichts genützt. Ergo – wenn überall die Landwehr eingeführt wird, ist sie für Niemand mehr zum Vorteil.
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/205&oldid=- (Version vom 31.7.2018)