und wir gaben ihm auch willig die Replik. Da sich Friedrich jetzt so eifrig mit dem Studium des Völkerrechts befaßte, so war ihm jede Diskussion willkommen, welche dieses Gebiet streifte. Nach dem Speisen (Herr von Allerdings – wir bezeichneten ihn unter uns immer mit diesem Spitznamen – war zweimal wöchentlich bei uns zu Tisch geladen) pflegten die beiden Herren sich in ein langes politisches Gespräch zu vertiefen, wobei mein Mann es jedoch vermied, dieses Gespräch in die ihm so verhaßte Kannegießerei ausarten zu lassen, sondern bemüht war, dasselbe auf verallgemeinernde Standpunkte zu lenken. Hierin konnte ihm „Allerdings“ allerdings nicht immer folgen, denn in seiner Eigenschaft als eingewurzelter Diplomat und Büreaukrat hatte er sich angewöhnt, die sogenannte „praktische Politik“ oder „Realpolitik“ zu betreiben – ein Ding, welches ja nur auf die nächstliegenden Sonderinteressen gerichtet ist und von den theoretischen Fragen der Gesellschaftskunde nichts weiß.
Ich saß daneben, mit einer Handarbeit beschäftigt und mischte mich nicht in das Gespräch, was dem Herrn Minister ganz natürlich schien, denn bekanntlich ist für Frauen die Politik ja „viel zu hoch“; er war überzeugt, daß ich dabei an andere Dinge dachte, während ich – im Gegenteil – sehr aufmerksam zuhörte, da es meines Amtes war, mir so gut als möglich den Wortlaut dieser Dialoge in das Gedächtnis zu prägen, um dieselben hernach in die roten Hefte einzutragen. Friedrich machte von seinen Gesinnungen kein Hehl, obwohl er wußte, welche undankbare Rolle es ist,
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/204&oldid=- (Version vom 31.7.2018)