„Ja, natürlich, denn dadurch wird das Gehaßte erhalten.“
„Nicht dadurch allein … Alte Einrichtungen stehen mit tausend Fasern festgewurzelt, und so lang sie da waren, war’s doch auch gut, daß diejenigen Gefühle und Gedanken bestanden, durch die sie verschönt – durch die sie nicht nur erträglich, sondern sogar beliebt gemacht wurden. Wie viel armen Teufeln half jene anerzogene „Todesfreudigkeit“ über das Sterbensweh hinweg; wie viel fromme Seelen bauten vertrauensvoll auf die ihnen vom Prediger zugesicherte Gotteshilfe: wie viel unschuldige Eitelkeit und stolzes Ehrgefühl ward nicht durch jene Ceremonien geweckt und befriedigt, wie viel Herzen schlugen nicht höher bei den Klängen jener Gesänge? Von allem Leid, das der Krieg über die Menschen gebracht hat, ist doch wenigstens jenes Leid abzurechnen, welches wegzusingen und wegzulügen den Kriegsbarden und den Feldgeistlichen gelungen ist.“
Wir wurden von Berlin sehr plötzlich wieder abberufen. Eine Depesche meldete mir, daß Tante Marie schwer erkrankt sei und uns zu sehen wünsche.
Ich fand die alte Frau von den Ärzten aufgegeben.
„Jetzt ist die Reihe an mir,“ sagte sie. „Eigentlich gehe ich recht gern … Seit mein armer Bruder und seine drei Kinder hingerafft wurden, hat es mich
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/201&oldid=- (Version vom 31.7.2018)