wir ihn zur Entfaltung seiner Beredsamkeit bewogen haben. Einen Augenblick drängte es mich, ihm zu sagen: Halten Sie ein, hochwürdiger Herr, ich selber hege die gleichen Ansichten gegen den Krieg, wie meine Frau, und was Sie sprechen, soll mir nur dazu dienen, die Schwäche Ihrer Argumente näher zu untersuchen. Aber ich schwieg. Wozu eines redlichen Mannes Überzeugung – eine Überzeugung, die noch dazu die Grundlage seines Lebensberufes ist – verletzen?“
„Überzeugung? – bist Du dessen sicher? Glaubt er wirklich die Wahrheit zu sprechen, oder bethört er seine Soldatengemeinde absichtlich, wenn er ihr den sicheren Sieg verspricht, durch den Beistand eines Gottes, von dem er doch wissen muß, daß er von dem Feinde gerade so angerufen wird? Diese Berufungen auf „unser Volk“, auf „unsere“, als die einzig gerechte Sache, die zugleich Gottes Sache ist, die waren doch nur möglich zu einer Zeit, da ein Volk von allen übrigen Völkern abgeschlossen, sich für das einzig Daseinsberechtigte, das einzig Gottgeliebte hielt. Und dann diese Vertröstungen auf den Himmel, um desto leichter die Hingebung des irdischen Lebens zu erlangen, alle diese Ceremonien – Weihen, Eide, Gesänge – welche in der Brust des in den Krieg Befohlenen die so beliebte „Todesfreudigkeit“ – mir graut vor dem Worte – erwecken sollen, ist das nicht –“
„Alles hat zwei Seiten, Martha,“ unterbrach Friedrich. „Weil wir den Krieg verwünschen, erscheint uns Alles, was ihn stützt und verschönt, was seine Schrecken verschleiert, hassenswert.“
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/200&oldid=- (Version vom 31.7.2018)