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einer höheren Liebe – diejenige zu ihrem erwählten Bräutigam Christus. Aber ach – auch davon brachten die Edeln nur ein Lot! Ein Lot Liebe dorthin, wo tausend Centner Haß gewütet …

„Nein, Herr Doktor,“ antwortete ich auf die teilnehmende Anfrage des jungen Arztes, „ich bin nicht krank, nur ein wenig angegriffen.“

„Ihr Herr Gemahl, so sagte mir Baron S., sei bei Königgrätz verwundet worden und Sie reisen dahin, ihn zu pflegen,“ mischte sich der Stabsarzt in das Gespräch; „wissen Sie, in welcher der umgebenden Ortschaften er liegt?“

Das wußte ich nicht. „Mein Ziel ist Königinhof,“ antwortete ich; „dort erwartet mich mein befreundeter Arzt, Doktor Bresser –“

„Den kenne ich … er war an meiner Seite, als wir vor drei Tagen das Schlachtfeld absuchten.“

„Das Schlachtfeld absuchten“ … wiederholte ich schaudernd – „erzählen Sie –“

„Ja, ja, Herr Doktor, erzählen Sie!“ bat eine der Nonnen, „unser Dienst kann uns auch in die Lage bringen, bei solchem Suchen mitzuhelfen.“

Und der Regimentsarzt erzählte. Den Wortlaut seiner Schilderungen kann ich natürlich nicht mehr wiedergeben; auch sprach er nicht in einem Flusse, sondern mit häufigen Unterbrechungen, und gleichsam widerstrebend, nur durch die hartnäckigen Fragen, mit welchen die wißbegierigen Nonnen und ich ihn bestürmten, zum Sprechen gezwungen. Die abgerissenen Erzählungen riefen jedoch eine geschlossene Reihe von Bildern vor

Empfohlene Zitierweise:
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/060&oldid=- (Version vom 31.7.2018)