„O warum habe ich nicht längst „ja“ gesagt! Jetzt wäre ich sein Weib“ …
„Da wäre Dir der Abschied nur desto schmerzlicher geworden, meine arme Lilli.“
Sie schüttelte den Kopf. Ich verstand wohl, was in ihrem Innern vorging – vielleicht klarer, als sie es selber verstand: sich trennen müssen bei noch ungestilltem – vielleicht ewig ungestillt bleiben sollendem Liebessehnen; – den Becher von den Lippen weggerissen und möglicherweise zerschellt sehen, ehe man noch einen einzigen Trunk gethan – das mag wohl doppelt quälend sein.
Mein Vater, die Schwestern und Tante Marie übersiedelten jetzt nach Grumitz. Ich ließ mich leicht bereden, samt meinem Söhnchen mitzukommen. So lange Friedrich fort war, schien mir der eigene Herd erstorben – ich hätte es da nicht ausgehalten. Es ist sonderbar: ich fühlte mich so verwitwet, als wäre die Nachricht von dem ausgebrochenen Kriege zugleich die Nachricht von Friedrichs Tod gewesen. Manchmal, mitten in meine dumpfe Trauer, fiel ein lichter Gedanke: „Er lebt und kann ja wiederkommen“ – daneben aber stieg wieder die schreckliche Idee auf: er krümmt und windet sich in unerträglichen Schmerzen … er verschmachtet in einem Graben – schwere Wagen fahren über seine zerschossenen Glieder weg – Mücken und Ameisen wimmeln auf seinen offenen Wunden; – die Leute, welche das Schlachtfeld räumen, halten den erstarrt Daliegenden für tot und scharren ihn lebendig
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/011&oldid=- (Version vom 31.7.2018)