eine Minute des uns noch beschiedenen Zusammenseins hatten wir verlieren wollen.
Es war so viel, was wir uns noch zu sagen hatten, und doch sprachen wir nur wenig. Küsse und Thränen waren es zumeist, welche beredter als alle Worte sagten: Ich hab’ Dich lieb und muß Dich lassen. Dazwischen fiel auch wieder ein hoffnungsvolles Wort: „Wenn Du wiederkommst“ … Es war ja möglich … es kommen ja so viele heim. Doch sonderbar! ich wiederholte: „Wenn Du wiederkommst“ und bemühte mich, mir das Entzückende dieser Eventualität vorzustellen, aber vergebens: meine Einbildungskraft vermochte kein anderes Bild zu schaffen, als des Gatten Leiche auf der Wahlstatt oder mich selber auf der Bahre mit einem toten Kind im Arm …
Friedrich war von ähnlichen trüben Vermutungen erfüllt; denn sein „Wenn ich wiederkomme“ klang nicht aufrichtig, und häufiger sprach er von dem, was geschehen sollte, „wenn ich bleibe“.
„Heirate kein drittes Mal, Martha! Verwische nicht durch neue Liebeseindrücke die Erinnerungen dieses herrlichen Jahres … nicht wahr, es ist eine glückliche Zeit gewesen?“
Wir ließen nun hundert kleine Einzelheiten, welche von unserer ersten Begegnung bis zu dieser Stunde sich uns eingeprägt hatten, an unserem Gedächtnis vorüberziehen.
„Und mein Kleines, mein armes Kleines, das ich wohl nie an mein Herz drücken werde – wie soll es getauft werden?
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/219&oldid=- (Version vom 31.7.2018)