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„Nein.“

„So kurzweg ‚nein‘?“

„Wozu lange Reden? Wir verstehen einander in dieser Richtung doch nicht, mein liebstes Tantchen. Laß Dir lieber erzählen, was gestern der kleine Rudolf …“

Und damit war das Gespräch glücklich auf ein anderes, sehr ergiebiges Thema gelenkt, wo es zu keiner Meinungsverschiedenheit zwischen uns kam; denn über die Thatsache, daß Rudolf Dotzky das herzigste, originellste, für sein Alter vorgeschrittenste Kind der Welt ist – darüber waren wir beide einig.

Am folgenden Tag entschloß ich mich doch, der Fußwaschung beizuwohnen. Etwas nach zehn Uhr, schwarz gekleidet, wie es sich für die Karwoche ziemt, begaben wir uns, meine Schwester Rosa und ich, in den großen Ceremoniensaal der Burg. Daselbst waren auf einer Estrade Plätze für die Mitglieder der Aristokratie und des diplomatischen Korps vorbehalten. Man war da also wieder unter sich und teilte rechts und links Grüße aus. Auch die Galerie war dicht gefüllt: gleichfalls Bevorzugte, welche Eintrittskarten erlangt hatten – aber doch etwas „gemischt“, nicht zur „Crème“ gehörig, wie wir da unten, auf unserer Estrade. Kurz, die alte Kastenabsonderung und -bevorrechtung – anläßlich dieser Feier der symbolisierten Demut.

Ich weiß nicht, ob den anderen irgendwie religiös-weihevoll zu Mute war; aber ich erwartete das Kommende mit ganz derselben Empfindung, mit welcher man im Theater einem angekündigten Spektakelstück entgegensieht. Ebenso gespannt, wie man da – nachdem die

Empfohlene Zitierweise:
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/133&oldid=- (Version vom 31.7.2018)